Angus & Julia Stone – Cape Forestier

Cover von angus julia stone cape forestier

Drölftausend Mal durchgespielt. Das Singer/Songwriter-Genre hatte gefühlt vor Jahren schon nichts mehr Neues zu erzählen. Und wenn man nichts zu erzählen hat, kann man ja auch einfach mal still sein. Manche haben aber die Richtung dermaßen mitgeprägt und Anteile beigetragen, dass wenn sich jemand ein bisschen wiederholen darf, nur die Großen das OK bekommen. Angus & Julia Stone sind zwar bei uns immer ein großer Geheimtipp geblieben, aber hinsichtlich der weltweiten Entwicklung der handgemachten Liedermacher*innen-Musik haben sie wirklich abgeliefert.

In ihrer Heimat Australien zählen sie seit ihrem ersten Erscheinen 2007 zu den Besten. Ein Geschwister-Duo, sie mittlerweile 40, er 38. Eigentlich genügt es, wenn man den großen Durchbruch „Down the Way“ aus 2010 hört, denn das ist die Essenz dessen, wofür die Zwei stehen. Das ist wundervoll berührende, selbstgeschriebene Lagerfeuer-Romantik, zweistimmig gesungen, hin und wieder ein einzelnes Bestreiten, weil mit einer persönlichen Geschichte verbunden. Das ist so leise und im Inneren doch so laut. Rund anderthalb Jahre läuft es in den australischen Albumcharts heiß und erreicht dreifaches Platin. Auch der Nachfolger „Angus & Julia Stone“ (2014), der erstmalig sogar hier die Charts knackt, funktioniert richtig gut. Danach hat man sich allerdings ein paar Runden zu viel im Kreis gedreht. „Snow“ (2017) war die Wiederholung der Wiederholung und das Geschwisterprojekt vorzeitig pausiert.

Gut so. So hatten beide Zeit, sich in ihren eigenen Projekten zu erleben und auch mal mit anderen Sounds zu experimentieren. Julia Stone machte das poppig-elektronisch, Angus als Dope Lemon eher psychedelisch-rockig. 2021 probierte man es mit „Life is Strange“ wieder zusammen, bekam allerdings enttäuschend wenig Beachtung. Das soll 2024 wieder anders werden. Cape Forestier ist eine neue Form von Angus & Julia Stone – und das Interesse offenkundig da, melden nämlich sogar die Deutschlandtermine wie der in der Kölner Philharmonie (!) schon ausverkauft.

Cape Forestier ist die einzige logische Konsequenz. Es klingt nach den Beiden, kommt aber aus der Sackgasse, in der sie sich nach dem Selftitled wiederfanden, heraus, um neue Facetten zu zeigen. Die zwölf Tracks funktionieren nur noch selten getrennt, über weite Strecken bleibt man eng zusammen. Der sehr reduzierte Sound, oftmals nur mit Gitarren und Drums, wird um Klaviere, Banjos und viele Streicher erweitert. Das ist Country, Bluegrass, Folk. Man spürt die Dürre und Hitze Australiens mehr als gefühlsduseligen Kitsch. Nicht falsch verstehen, wir lieben gefühlsduseligen Kitsch – aber Angus & Julia Stone nutzen einen zeitgemäßen Retrosound, der vielleicht nicht mehr gut in die Anfänge von Dates passt, dafür aber in eine fortgeschrittene Beziehung, die gerade zu Sonnenstrahlen im Bett am Sonntagmorgen chillt.

Ganz starker Einstieg mit „Losing You“, der sofort gelingt und zeigt, dass man noch etwas zu sagen hat. Ein Nach-Hause-Kommen, währenddessen jemand anderes renoviert hat. Kühle, lässige Distanz in „Down To The Sea“ ist ebenso fluffig-leicht, wie es die Geschwister schon immer waren. Erst, wenn es eine Spur zu viel Americana wird, werden die Augen ein wenig zu schwer. So beim zu lang geratenen „No Boat No Aeroplane“ und dem drögen „Country Sign“.

Im Gegensatz dazu wird „The Wedding Song“ hoffentlich bald auf eben jenen Veranstaltungen von Leuten gespielt, die zwei, drei Ideen mehr haben als „Hallelujah“ von Leonard Cohen und „Perfect“ von Ed Sheeran. „I Want You“ catcht mit seinem Off-Beat und ist ein kleines hymnisches Sommer-Kleinod. Bald Sommer? Say no more.

Das Händchen für schöne Melodien ist nicht weg. Auch wenn die Hitdichte und dadurch wahrscheinlich auch die Treffsicherheit einige Etappen hinter „Down the Way“ bleibt, ist man auf einer fairen Ebene geblieben. Angus & Julia Stone haben mit Cape Forestier ihren Klang in dem Maße angepasst, dass man sich schnell zurechtfindet, ohne direkt erraten zu können, was als nächstes kommt. Da muss man vom Qualitätsanspruch, den man zurecht an die Künstler*innen hat, nur minimale Abstriche machen, um berührt zu grinsen.

Und so hört sich das an:

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