Im Kollektiv den eigenen Dämonen den Kampf ansagen. Das machen You Me At Six nach ihrem, nun sagen wir mal schwierigen, sechsten Album “VI” und möchten einen Schritt Richtung Zufriedenheit gehen. Dafür heuern sie aber tatsächlich noch einmal denselben Produzenten Dan Austin an. Was jetzt vielleicht nicht gerade nach einem hoffnungsvollen Rahmen für eine Rückkehr zur alten Stärke klingt, offenbart doch eine ziemlich erfrischende Richtung. “VI” als Nährboden für die Zukunft einer einstigen Alternative-Institution?
Unerwartete Schläge und miese Laune
Ganz schön kathartisch positioniert sich das Quintett auf dem Cover, auch der Titel “Suckapunch” suggeriert eine gewisse Lebhaftigkeit. Leere Versprechungen sind das tatsächlich nicht, wie der Opener “Nice To Me” mit elektronischen, stampfenden Strophen beweist. Frontmann Josh Franceschi steht mit kräftiger Stimme inmitten der drückenden Klangstrukturen, reine Instrumentalparts bekommen auch ihren Platz. Am Ende gerät Franceschis Stimme gar ins Schreien, ohne dabei ein Fremdscham-Potential mit sich zu bringen. Im folgenden “MAKEMEFEELALIVE” geht es ähnlich stampfend nach vorne und dazu erinnert es sogar an die Sound-Ästhetik des aktuellen Boston-Manor-Albums. Ein versöhnender und dabei sogar gelungener Blick in die eigene Rock-Vergangenheit gepaart mit der nötigen Gegenwärtigkeit – ganz schön schick. Aber “Suckapunch” bleibt nicht auf diesem Pfad.
Adoleszente Dramen in dezenten Rahmen
You Me At Six machen auch nach 17 Jahren Bandgeschichte noch Musik für junge Leute. Dessen sind sich die Briten wohl auch vollkommen bewusst, Texte wie “Love is a drug but it never comes with a warning” (“Beautiful Way”) grummeln trotzdem unangenehm im Abgang. Ähnlich generisch geht es teils auch musikalisch zu wie im Bass-Hüpfer “Kill The Mood”; “Suckapunch” erfindet aber nun mal nichts neu. Stattdessen gibt es ein buntes Potpourri an Einflüssen, die in einem großen Strom nach vorne reißen. Da schaut bei “What’s It Like” plötzlich Hip-Hop um die Ecke und hinterfragt die oberflächliche Perfektion der Generation Social Media. “Adrenaline” klingt wie eine B-Seite der Imagine Dragons, aber gleichzeitig ziemlich Hit verdächtig und “Glasgow” schafft es, ohne übertriebenen Kitsch eine zerbrochene Beziehung mit ruhigen Tönen zu vermitteln. Besonderes Schmankerl ist wohl der Titeltrack, dessen perlenden Beats der Strophen im Refrain 1:1 von den Riffs aufgegriffen werden und zeigen, wie gut die Symbiose aus modernen elektronischen Elementen und klassischem Alternative eben doch funktionieren kann.
Wenn sich You Me At Six auf “Suckapunch” gemeinsam gegen toxische Beziehungen und Freundschaften aufraffen, entwickelt das ein so viel bedeutsameres Momentum als es der Vorgänger geschafft hatte. Experiment geglückt, der Kurs scheint wieder zu stimmen.
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