Elisabeth – Das Musical: Die Schönbrunn-Version, Metronom Theater Oberhausen, 05.02.2025

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Endlich. Man musste wirklich verdammt lange warten, doch nun ist es zurück: Elisabeth – Das Musical findet nach über acht Jahren seinen Weg zurück auf die deutschen Bühnen und die gesamte Fangemeinde rastet aus. Und das mit Recht. Wenn schon mal ein Musical, das aus deutschen Federn stammt, so beliebt und gleichzeitig so hervorragend ist, dann kann das ruhig sehr viel öfter laufen. Ok, zugegeben: Eigentlich ist Elisabeth eher ein Österreich-Original und da ist es seit 2022 schon wieder am Start. Allerdings ist auf dieser Tour alles ein bisschen anders. Im Metronom Theater in Oberhausen läuft die neue Schönbrunn-Version. Was das heißt? Und ob das lohnt?

Elisabeth ist die zweite gemeinsame Arbeit von Sylvester Levay – gebürtiger Ungare, aber seit den 70ern in Deutschland lebend – und Michael Kunze – der ist übrigens in Tschechien geboren. Ihr Kooperationsdebüt “Hexen Hexen” kennen heute nur noch die richtigen Nerds, Elisabeth hingegeben kennen selbst Musical-Nulpen. 1992 feiert es in Wien seine Uraufführung und entwickelt sich zum erfolgreichsten deutschsprachigen Musical aller Zeiten, das mittlerweile in 12 Staaten gezeigt wurde und auf sieben Sprachen existiert. In Deutschland folgt die Premiere 2001 in Essen. Seitdem ist mindestens ein Song in jeder Musical-Gala zu hören, mindestens ein Song ist früher oder später im Fokus eines jeden Gesangsunterrichts und selbst auf Karaoke-Bühnen gehören mehrere Hits zum mal guten, mal auch nicht ganz so guten Ton. Auch wenn die Nachfolgewerke “Mozart!“, “Rebecca” und “Marie Antoinette” den Erfolg von Elisabeth nicht wiederholen können, so zählen auch sie zu den Must-Seen-Meisterwerken der deutschen Theaterlandschaft.

Immer wieder schaute man neugierig auf die Spielpläne diverser Häuser – vergeblich. Elisabeth verschwand im März 2016 nach drei erfolgreichen Tourneen und kam schweren Herzens nicht wieder. Umso erstaunlicher, dass es auf einmal zum Ende 2024 überallhin zurückkehrt. Erst waren lediglich Füssen, Frankfurt und München geplant, doch peu à peu erweiterte sich der Spielplan für 2025 um Berlin, Zürich, Basel, Baden-Baden, Bremen, Dresden und sogar einer Stadt in NRW, wo es schließlich seine Deutschland-Premiere hatte, nämlich Oberhausen. Dank der imposanten Nachfrage gibt es im November wiedereröffneten Metronom Theater sogar zwei Rutschen – zunächst vier Wochen im Februar bis Anfang März, schließlich nochmal vier Wochen über die Osterfeiertage bis in den Mai hinein.

Zur Premiere am 5.2., einem Mittwoch, ist die Nachfrage riesig. Das schöne Theater, das während seiner viereinhalbjährigen Schließung keinen Funken an Schönheit einbüßen brauchte, ist zurück, als wäre es nie weg gewesen – ebenso das Publikum, das sämtliche Plätze vollmacht und auch seitens der Presse alle neugierig sind. “In der gefeierten Schönbrunn-Version” heißt es groß und breit auf dem Plakat. Es ist die Version, die 2022 vor dem Schloss Schönbrunn in Wien erstmalig gezeigt wurde. Neuinszenierungen sind gang und gäbe. Immer wieder werden Bühnenbilder verändert, Songs gestrichen, umgetextet oder neu komponiert. Doch bei der neuen Elisabeth ist auf der Seite der Veränderungen ein wenig zu viel, auf der Seite der “Gibt’s nicht mehr” leider auch.

“Es ist ein altes Thema”, wie Der Tod singt. Müssen Veränderungen von sehr erfolgreichen Shows überhaupt sein? Wie weit möchte man sich auf etwas anderes einlassen, wenn man das Alte doch so liebt und ja gerade deswegen noch einmal reingeht, weil man es damals so super fand? Die einen sagen so, die anderen sagen so. Und damit ihr die richtige Entscheidung für euch treffen könnt, ob ihr es wagen solltet oder nicht, hier unsere kleinschrittige Analyse:

Für die fünf Leser*innen, die noch nie von Elisabeth gehört haben, gibt’s die Miniversion des Inhalts: Luigi Lucheni muss seit 100 Jahren Nacht für Nacht erklären, warum er die Kaiserin Elisabeth ermordet hat. Er sagt, dass sie schon ein Leben lang einen Hang zum Tod besaß und ihr quasi mit der Ermordung einen Gefallen tat. Um dieses Statement zu belegen, blickt er auf Elisabeths bewegtes Leben zurück, die immer wieder in Schwierigkeiten gerät, besonders auf zwischenmenschlicher Ebene mit ihrem Ehemann Franz Joseph, noch mehr mit ihrer Schwiegermutter, aber auch mit ihrem eigenen Sohn.

Der Aufbau in Oberhausen ist aufwändig. Ein 19-köpfiges Orchester darf hier Platz nehmen sowie sein Dirigent Bernd Steixner. Waren solche Besetzungen früher im Graben an der Tagesordnung, sind sie heute tatsächlich das ganz besondere Aushängeschild. Es ist das größte Upgrade, das die Schönbrunn-Version bietet. Ein großes Orchester, sichtbar auf der Bühne positioniert – das auch in Oberhausen wirklich wunderbar spielt und dem Saal mit einem sehr runden Klang viel Leben einhaucht – ist die einzige richtige Besonderheit, kommt doch sonst bei Tourproduktionen ein großer Teil der Streicher aus den Keyboards. Das ist heute anders und ein tolles Erlebnis für sämtliche Fan-Ohren.

Allerdings handelt es sich bei der Schönbrunn-Version um eine sogenannte halbszenische Aufführung. Bezeichnungen, mit denen Gelegenheitsbesucher*innen wahrscheinlich so gar nichts anfangen können. Übersetzt bedeutet das im Falle Elisabeth: Sämtliche Darsteller*innen tragen die bekannten, sehr detailverliebten und wunderschönen Kostüme, einige Dialogszenen werden gespielt, andere wiederum fallen weg. Die Songs stehen im Fokus. Wechselnde Bühnenbilder gibt es nicht, lediglich ein paar Requisiten. Ortswechsel werden durch große Visuals auf einer Leinwand erkenntlich gemacht, dafür ist das Licht opulent und von durchaus vielen Spots unterstützt.

Pro und Contra liegen hier wirklich wahnsinnig nah beieinander. Zunächst für diejenigen, die Elisabeth bisher nicht kennen: Was man nicht kennt, kann man nicht vermissen. Man weiß somit nicht, wie das Bühnenbild regulär wäre. Hier ist es lediglich eine große Showtreppe mit mehreren Auf- und Abgängen, ein Türrahmen, an dem sich außen herum Leitersprossen befinden sowie ein freier Bereich vor dem Orchester zum Spielen. Spannend wäre, ob Neulinge komplett durch die doch recht komplexe Story steigen, die über mehrere Jahrzehnte spielt und mehrfach das Setting wechselt. Ein nicht vorhandenes Bühnenbild hat andererseits den Vorteil, dass man sich durch weniger Ablenkung besser auf Dialoge und Songtexte konzentrieren kann – reicht das wohl allein, um alles zu checken?

Für diejenigen, die das klassische Elisabeth kennen und sehr wahrscheinlich lieben: Es ist ein bisschen wie das Lieblingsessen von Mama selbst nachkochen. Die Zutaten passen, das Ergebnis ist auch völlig ok, aber es ist einfach nicht dasselbe. Eher eine Light-Version. Ja, doch. Das trifft es ziemlich gut. Elisabeth in der Schönbrunn-Version ist ganz gut. Das liegt aber vor allen Dingen an den schlichtweg perfekten Songs, die in der Quantität in nahezu keinem anderen Musical weltweit (!) zu finden sind. Hier gibt es mindestens zu 80 Prozent nur 10 von 10 Nummern. Am laufenden Band. Und das rettet mit einem starken Orchester selbstredend schon den halben Abend. Aber halt nur den halben.

Große Ensemblenummern wie die Kaffeehaus-Nummer “Die fröhliche Apokalyspe”, das Kompositionsbrett “Milch” und sogar der Nazi-Aufmarsch “Hass” wirken auf der Hälfte der Bühnenfläche viel kleiner. Kann Der Tod nicht bei seinen Auftritten über große Rampen laufen und so automatisch die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, hat er direkt vieles an Mystik verloren. Sowieso ist es nicht ganz einfach, konzentriert den Blick auf die spielenden Darsteller*innen beizubehalten, wenn nur einen Meter dahinter Menschen an ihren Instrumenten musizieren. Die Visuals auf der Leinwand, die die Szenerie vorgeben, sind oftmals eher abstrakt, nur manchmal zeigen sie klar erkennbare Räume wie einen Dom von innen. Sonderlich ausgearbeitet und besonders positiv auf die Atmo auswirkend sind sie meistens nicht. Lediglich bei “Kitsch” bezieht Lucheni einige der digitalen Bilder mit ein, sodass der Blick bewusst hinwandert.

Doch für Fans zählt nicht nur ein Bühnenbild, was erst für besonders wichtig wahrgenommen wird, wenn es plötzlich nicht mehr existiert, sondern auch die Besetzung. Einige warteten mit ihrem Ticketkauf sogar bis zur Verkündung der Cast, weil es für sie so viel Bedeutung hat. Bei einigen Vorstellungen in Oberhausen wird man Roberta Valentini wiedersehen, die auch auf der letzten großen Tour die Elisabeth spielte. Interessanter hingegen ist aber die Premierenbesetzung mit Bettina Mönch. Eine Darstellerin, auf die man vorab wohl aus chakateristischen Gründen keinesfalls gewettet hätte, die seit einigen Jahren aber in äußerst vielen namhaften Stücken NRWs mitspielen durfte. Wir berichteten über sie schon in “Berlin Skandalös“, “Frankenstein Junior“, “Rent“, “3 Musketiere” und “Sweeney Todd“. Sie ist nicht immer die perfekte Wahl, kippt sie doch manchmal zu stark ins Overacting, dafür ist sie in anderen Rollen genau die richtige. Überraschenderweise spielt sie Elisabeth viel zurückgenommener, als man es sich wohl vorgestellt hat. Sie konzentriert sich komplett auf den Verfall ihrer Psyche und auf die sehr herausfordernden Töne. Erst vor Kurzem fiel sie krankheitsbedingt im Theater Dortmund aus und tatsächlich hört man in ihrem Überhit-Solo “Ich gehör’ nur mir” noch kleine Überbleibsel der Erkältung. In zwei, drei der ganz hohen Beltingtönen klingt es ein wenig heiser, was sich jedoch im Laufe des Spiels komplett auflöst. Spätestens in der zweiten Hälfte gibt es mit dem irrsinnig schweren “Nichts, nichts, gar nichts” und dem tief berührenden “Boote in der Nacht” absolut glanzvolle Performances der 44-jährigen Münchnerin.

Robin Reitsma gibt als Lucheni sein Elisabeth-Debüt, allerdings nicht sein Oberhausen-Debüt. Hier spielte er schon in “Bat Out Of Hell” mit. Sein Lucheni ist rebellisch, laut, rotzig und erfrischend. Viele starke Momente gehen auf seine Kappe. Gesanglich super besetzt ist auch Lander Van Nuffelen als Franz Josef, der mit seinem emotionalen Bariton an die ganz alten Aufnahmen aus den ersten Elisabeth-Aufführungen erinnert. Zwar ist die Höhe nicht ganz so seins, sodass er in “Elisabeth, mach auf, mein Engel” kurz an seine Grenzen stößt, ansonsten glänzt er aber in Spiel und Vocals. Mit Isabella hat man sich ein sehr talentiertes Kind als Kleiner Rudolf ausgesucht, bei dem zunächst gar nicht auffällt, dass es sich um ein Mädchen handelt. “Mama, wo bist du?” bekommt völlig zurecht sehr großen Applaus. Das größte Highlight ist jedoch – und das ist wohl die dickste Überraschung – Masha Karell als Erzherzogin Sophie. So böse und dominant im Spiel, dass es einschüchtert. Doch ihr akkurater, reifer Gesang in “Eine Kaiserin muss glänzen” oder “Ist das nun mein Lohn” sorgt ausnahmslos für Staunen.

Dementgegen ist Dennis Hupka als Rudolf ein wenig egal. Seine sowieso schon kleine Rolle fällt fast ohne jegliche Berührung hinten hinüber. Weder seine Passage in “Die Schatten werden länger” noch sein Solo “Wenn ich dein Spiegel wär'” stechen positiv oder negativ hervor. Eine richtige Enttäuschung ist allerdings Lukas Mayer als Der Tod, und das ist fatal. Die Figur zählt wohl zu den prägnantesten der Gattung und wird niemals wieder vergessen, sobald man nur einmal Elisabeth gesehen wird. Zeigte Mayer in “Rent” in Dortmund noch zumindest eine gewisse Agilität im Tanz, so ist seine Tod-Interpretation dermaßen langweilig, blass und nichtssagend, dass es fast schon ein bisschen ärgert. Eine Rolle, in der man wirklich die komplette Bandbreite zeigen kann – doch Mayer singt weite Teile seiner Belting-Parts unglaublich zaghaft und ohne jegliche Power, dass man ihn immer wieder wachrütteln mag. Genauso uninspiriert spielt er – ein Tod, der einfach gar kein bisschen Angst einflößt. Wahnsinnig schade.

Für ein Elisabeth-Comeback ist der Applaus am Ende zwar recht lang, zwischendrin aber doch an vielen Stellen etwas verhalten. Das mag auch nicht zuletzt daran liegen, dass in den exakt zwei Stunden Spielzeit, die von rund 25 Minuten Pause unterbrochen werden, einige Songs ein wenig gekürzt werden, was zumindest die Hardcore-Fans bemerken, und auch manche Dialoge wegfallen, wodurch die Spieldauer fast eine halbe Stunde kürzer ausfällt. Es ist endlich wieder da – aber leider reicht das Ergebnis final nur für das “Ganz nett”-Siegel. Es fühlt sich wie Elisabeth an, es sieht zumindest in der Verkleidung wie Elisabeth aus, es klingt wie Elisabeth, aber vollends befriedigen kann es nicht. Dass man ein so bombastisches Stück freiwillig abgespeckt zeigt, ist einfach seltsam. Ok, wir haben jetzt mal eine andere Version gesehen, bestimmt ist die vor dem Schloss Schönbrunn dank der gigantischen Kulisse auch toll. Aber im Theater? Solide, aber einmal reicht.

Und so sieht das aus:

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Foto von Christopher Filipecki

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