2024 war ein so genannter “Hell of a Ride” auf dem Level Weltgeschehen. Kein Wunder, dass auch die Musik dieses Jahr zwischen apokalyptischem Nihilismus, einem “Jetzt erst recht”-Gedanken und dem unbedingten Widerstand schwankt. In all dem Tumult sind große und kleine Meisterwerke entstanden, Konzerte auf Bühnen gebracht worden, über die in Jahrzehnten noch gesprochen wird – und auch etliche Hymnen entstanden.
Es war das Jahr, in dem der “Brat Girl Summer” kurzzeitig Hoffnung versprochen hat, in dem “Wicked” vor Jahresabschluss und wenige Wochen vor Trumps Rückkehr ins Präsidentenamt nochmal eine Anti-Faschismus-Story auf die Leinwände der Welt gebracht hat, und in dem die “Eras”-Tour auch die letzten Rekorde gebrochen hat. Immerhin eine Hoffnung für 2025: Noch mehr von diesem empowernden, kulturellen Miteinander, bitte.
Doch jetzt – wie jedes Jahr – der viergeteilte Rückblick. Viel Spaß.
Lieblingsalben
20. Kendrick Lamar – GNX
19. Taylor Swift – The Tortured Poets’ Department
18. Zeal & Ardor – GREIF
17. Deadletter – Hysterical Strength
16. Porridge Radio – Clouds In The Sky They Will Always Be There For Me
15. Dehd – Poetry
14. Berq – berq
13. Tyler, the Creator – Chromakopia
12. Halsey – The Great Impersonator
11. Paris Paloma – Cacophony
10. SPRINTS – Letter to Self
9. Billie Eilish – Hit Me Hard And Soft
8. Lola Young – This Wasn’t Meant For You Anyway
7. Charli XCX – BRAT
6. Lauren Mayberry – Vicious Creature
5. Amyl and the Sniffers – Cartoon Darkness
Seit dem Debüt gelten Amyl und ihre Sniffers zu recht als die neuen Posterpunks aus Australien – “Cartoon Darkness” ist das Opus Magnum, in dem der Sound Feminismus und linken Widerstand vor die Füße der Konservativen spuckt. So hittig klangen die vier noch nie.
4. Orla Gartland – Everybody Needs A Hero
Das zweite Album als Beweismittel: Orla Gartland ist tatsächlich eine der besten Songwriterinnen des aktuellen Indie. Queerer, bunter, gitarrenlastiger als auf ihrem Debüt “Woman on the Internet” klingt die Britin jetzt, der unbedingte Hang zu Songs, die den Replay-Button in ihrer DNA tragen, ist geblieben.
3. Fontaines D.C. – romance
Wie viele Bestenlisten kommen dieses Jahr ohne die Fontaines aus? Für mich war der Release vor allem ein großes Aufatmen: Mit ihrem zweiten und dritten Album hatte mich die Band kurz verloren, jetzt passt aber wieder alles: Das Tempo, die verregnete Atmosphäre, die aufbäumende Melancholie. Und auch das Songwriting. Auch neu: So hässlich fand ich ziemlich sicher noch nie ein Albumcover in meiner Jahresbestenliste.
Schon wieder Mine? Ich weiß nicht, wann meine letzte Bestenliste ganz ohne sie online ging. Es ist aber auch verdient: “Baum” zeigt nach dem imposanten “Hinüber” einen ganz neuen Ansatz. 15 Songs in knapp 29 Minuten, darunter zahlreiche Interludes und Snippets. Statt sinnentleertem TikTok-Loop steckt hier aber so viel Musikalität von Jungenchor über Funk-Beats bis zu bitteren Weisheiten in den Zeilen, das die Genialität auch in kleinstem Raum (fast) alles überstrahlt. Gigantisch.
1. The Last Dinner Party – Prelude To Ecstasy
Das war jetzt keine Überraschung: Nachdem The Last Dinner Party mich mit ihren ersten Singles schon 2023 in a Chokehold hatten, war 2024 jetzt endgültig das Jahr des großen Triumphs. Mit ihrem Mix aus theatralischem Bombast, einem Herz für ABBA-Harmonien und kreativen Ideen für jeden einzelnen Song, konnte das Quintett schon das Debüt zu einem absoluten Meisterwerk gemacht. Das ist bildgewaltig, unkontenvionell und in jeder Faser stilvoll.
Honourable Mention: Platz 1 würde eigentlich “The Rise and Fall of a Midwest Princess” von unserer Queen Chappell Roan gebühren. Erschien aber 2023, daher außer Konkurrenz. Mehr Rotation als für diese Platte gab es dieses Jahr aber nicht.
Lieblingskonzerte
11. Go_A, Zeche Bochum, 15.04.
10. Heisskalt, Junkyard Dortmund, 11.12.
9. Angie McMahon, Gloria Köln, 02.09.
8. ARXX, Gebäude 9 Köln, 28.10.
7. Keane, Palladium Köln, 21.04.
6. Herbert Grönemeyer, Ruhrstadion Bochum, 15.06
5. Dua Lipa, Rock Werchter, 06.07.
“Radical Optimism” gehörte dieses Jahr zu den großen Enttäuschungen der Pop-Welt – der Headliner-Slot beim Rock Werchter war für mich daher die große Wiedergutmachung. Den Klischees von Dua als schwache Performerin setzte dieser nahezu perfekter Auftritt 90 Minuten Imposanz entgegen: Top Choreos, alle Hits, eine super sympathische und nicht zuletzt talentierte Sängerin. Das war gefühlt eine Best Of Tour – da darf auch mal ein Album daneben sein.
4. Bleachers, E-Werk Köln, 01.09.
Jack Antonoff ist das, was Taylor Swift in der Sängerinnen-Welt ist, in der Produktionswelt: Nicht nur, weil er maßgeblich für den Sound und Erfolg einiger Swift-Alben verantwortlich ist, sondern auch weil er andere Artists wie Lorde, Lana del Rey und nicht zuletzt sogar Kendrik Lamar geprägt hat. Mit seiner eigenen Band Bleachers steht er für Springsteen-getränkten Indie-Rock, der Melodien und Atmosphären durchgespielt hat. Der Kölner Auftritt war eines der musikalischsten Konzerte, die ich jemals erleben durfte.
3. Mine, Zeche Carl Essen, 19.04.
Na klar – auch das Konzert zum Album “Baum” schafft es in die Bestenliste. Für das ohnehin schon großartige Liveset von Mine sind die neuen Songs die perfekten Ergänzungen, fließen wie Sirup in die Leerstellen und heben das ganze Erlebnis auf ein neues Level. Jetzt durfte zu “Ich weiß es nicht” und “Staub” geweint werden, “Danke Gut” tauchte den Raum in große Synth-Flächen und zu den anderen Tracks durfte ausgelassen getanzt werden.
2. The Last Dinner Party, E-Werk Köln, 02.11.
Im Monate zuvor bereits ausverkauften E-Werk feierten The Last Dinner Party ihr makelloses Debütalbum in all seinen Schattierungen: Ausgelassen werden queere Sehnsüchte besungen, mit kantigen Gitarrenwänden das Patriarchat zetrampelt, mit herrlich kitschiger Theatralik jede Alltagssituation zum lyrischen Moment. Das Sahnehäubchen waren die drei neuen Songs, die die Wartezeit zum großen Wiedersehen noch unerträglicher machen.
- Taylor Swift, Johan Cruiff ArenA Amsterdam, 04.07.
Ich war dabei! Über die “Eras”-Tour werden noch in Jahrzehnten Leute sprechen. Und selbst wenn ich nicht der größte Swiftie bin und skeptisch an den Abend gegangen bin, war das jeden Cent wert: Drei Stunden lang gab es jeden Hit und jedes Gefühl, das Swift zum größten Musikhype seit den Beatles machen, zum Miterleben. Vom sanften Folk-Hexen-Wald der “Folklore”-Ära über die Schwarz-Weiß-Ästhetik zum aktuellen “Tortured Poets Department” bis zu den kitschigen Anfängen wurde nichts ausgespart und die erwartbar größte Produktion auf die Bühne gebracht. Mehr geht nicht.
Lieblingssongs
- Chappell Roan – Good Luck, Babe!
- Sevdaliza, Pabllo Vittar & Yseult – Ailibi
- Cynthia Erivo, Ariana Grande – Defying Gravity
- Bambie Thug – Doomsday Blue
- Paula Hartmann, Trettmann – Atlantis
- Rachel Chinouriri – All I Ever Asked
- The Macks – Steamroller
- High Vis – Mind’s a Lie
- Lola Young – Messy
- Stromae, Pomme – Ma Meilleure Ennemie
- Charli XCX – 365
- Lady Gaga – The Joker
- AURORA – Some Type Of Skin
- Kapa Tult – 1/2 Capuccino
- RAYE – Genesis.
- The Hubbards – Just Touch
- Rosé, Bruno Mars – APT.
- Deadletter – More Heat!
- Taylor Swift, Florence + the Machine – Florida!!!
- Dehd – Mood Ring
- Royel Otis – Murder on the Dance Floor
- Mannequin Pussy – I Got Heaven
- Suki Waterhouse – OMG
- Lady Gaga – Disease
- Artemas – i like the way you kiss me
Rechte von den Albumcovern liegen bei Virgin, New Friends, XL Recordings, Island Records. Konzertbilder von minutenmusik / Julia. Bild von BODIES von Cathleen Wolf. Die Rechte für die Cover am Beitragsbild liegen bei Geffen, Music For Nations, Beton Klunker Tonträger, Fueled By Ramen, Universal Music, Young, Sony Music, Tautorat Tonträger, Annenmaykantereit Records, Mercury Records, Grand Hotel Van Cleef & SM Entertainment.
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