2021 lässt sich in wenigen Worten umschreiben: Das erste Halbjahr war stressig und trist, das zweite zumindest größtenteils ertragbar. Dementsprechend überrascht war ich beim Durchstöbern diesjähriger Veröffentlichungen, dass doch auch die ein oder andere Platte aus der ersten Hälfte hängen blieb. Doch dazu im Verlauf mehr, beginnen möchte ich zunächst gewohnt schattig.
Die Flops des Jahres:
3. Alternative RockMeine Beziehung zum Alternative-Genre neigt sich schleichend dem Ende zu. Das mag zum einen an der schwindenden Einfältigkeit seiner Vertreter*innen liegen. Death From Above 1979 beispielsweise zeigten exemplarisch auf, wie öde und unspektakulär Band ihre eigene Formel hinweg entwickeln kann. Besser gelang das Royal Blood, Biffy Clyro und Van Holzen. Doch auch trotz guter Alben löste deren Musik einfach wenig in mir aus. Ob eine Rückkehr des Live-Geschäfts das umkehren könnte? Immerhin atmet die Musik der genannten Bands vor allem wenn sie vor Publikum gespielt wird. Wer weiß.
2. Die Ärzte – Dunkel
Apropos Einfältigkeit: „Dunkel“ ist eindimensional und einschläfernd. Und so gar nicht auf den Punkt gebracht.
1. Kultur?
Für einige wenige Wochen mimte die Pandemie täuschende Normalität. Doch die Zeit des Zusammenkommens war begrenzt, jeder Drink nach guten Shows (Squid und Kummer!) drohte der Letzte zu sein. Und tatsächlich: Mindestens das erste Quartal 2022 wird erneut ein hartes werden für Kultur und Co. Hoffentlich bleibt es dabei.
Drei EPs für Zwischendurch
Es fehlte mir die letzten Jahre an runden Kurzformaten. 2021 bricht mit dem Trend und lieferte gleich drei starke EPs. Da wäre zum einen der Öko-Rap von LGoony auf der fantastisch kurzweiligen „Go Green“-EP, das Debüt von Symba („Teamboys undso“) sowie die Erstlingsveröffentlichung der tollen Berliner Indie-Shoegaze-Quergänger Tristesse („Im Schwächsten Licht“). Gerne auschecken!
Songs des Jahres
05. Audio88 & Yassin – Kein Regen04. Haiyti – Hyperspeed
03. Symba – Holiday Inn
02. Glass Animals – Heat Waves
01. Turnstile – Holiday
Ohne Worte: Die besten Alben 2021 – Plätze 15 bis 6
15. Weezer – OK Human14. Squid – Bright Green Field
13. Tyler, The Creator – Call Me If You Get Lost
12. Lucy Dacus – Home Video
11. Idles – Crawler
10. Lorde – Solar Power
09. Citizen – Life In Your Glass World
08. Julien Baker – Little Oblivions
07. Foxing – Draw Down The Moon
06. Leoniden – Complex Happenings Reduced To A Simple Design
Wenige Worte: Die besten Alben 2021 – Plätze 5 bis 1
05. Billie Eilish – Happier Than EverDie an das zweite Billie Eilish-Album gestellten Erwartungen lagen irgendwo in den unerreichbaren Weiten des Alls. Warum also überhaupt versuchen den Erstling in Sachen Eingängigkeit und Energie zu überbieten? Die Geschwister O’Connell daher richten den Sound-Eilish neu aus und vermengen ihn mit Retro-Einflüssen. „Happier Than Ever“ ist daher ein vibeiges Album, das durch ein Brennglas Blicke auf die absurde Lebensrealität der jungen Künstlerin wirft. Es geht um Mental Health-Struggles, erste Beziehungsenden, gesellschaftlichen Druck. Und obwohl „Happier Than Ever“ zu lang geraten ist und nicht jeder Song sitzt, so ist es doch eines der bemerkenswertesten Pop-Alben des Jahres. Zu (un)wild für so manche.
04. Drangsal – Exit Strategy
Obwohl „Exit Strategy“ eines dieser Alben ist, die eindeutig live erst so richtig durchatmen können – der eklektische Auftritt der neuen Drangsal-Band auf dem Stadt Ohne Meer-Festival unterfüttert diese These –, so funktioniert es doch auch fernab von Konzerten. Denn: Das dritte Drangsal-Album stellt eine durchdacht arrangiert und detailreich ausproduzierte Rock-Hymne neben die Nächste. Hinzu kommt, dass die nun doch direkter getexteten Gesangsparts große innere Kämpfe voranstellen, die auch von den eigenen vier Wänden lautstark zurückhallen. Bockt.
03. Girl In Red – If I Could Make It Go Quiet
Lange haben Fans auf das erste Girl In Red-Album gewartet. Das nun bricht aus dem engen Schlafzimmer aus, das frühe Schaffensphasen begleitete, und schielt samt Pop- und Indie-Großkunst in die Hallen. Die sind eh lange ausverkauft, „If I Could Make It Go Quiet“ nun manifestiert jedoch: Zurecht. Die queeren Perspektiven in den Texten zudem sind in der Schlagkraft längst überfällig und dank punktgenauen Um- und Beschreibungen auch ausreichend frisch. „If I Could Make It Go Quiet“ ist daher eine wichtige Platte und ganz unabhängig davon ein ausgezeichnetes Pop-Album.
02. Tristan Brusch – Am Rest
Ich weiß noch wie ich an einem nass-kalten Novembertag in einem Café saß und beschloss den Nachhause-Weg doch zu Fuß und nicht mit der Bahn zu bestreiten. Immerhin hatte es gerade zu regnen aufgehört. „Am Rest“ sollte der perfekte Soundtrack für diesen Spaziergang werden. So lief ich wenig später also durch das noch triefende, dämmrige Grau Kölns und ließ mich von Bruschs direkt-poetischer Sprache und dichten Instrumentierungen einlullen: Eine perfekte Symbiose. Sie steht symbolisch für die Bedeutung dieses Albums, denn mehr nach Zuhause – im Guten sowie im Schlechten – hat sich 2021 keine Platte angefühlt.
01. Turnstile – Glow On
Hier sind wir uns alle einig, denn über Turnstile können 2021 alle abkumpeln. Und das natürlich zurecht! Das Konzert im Kölner Gebäude 9 kurz vor der ersten Covid-Welle trug mich durch das erste Pandemiejahr, „Glow On“ nun durch das zweite. Der Grund: Kaum eine Band aus dem Hardcore-Genre verkörpert bei gleichsam unentwegter musikalischer Progression derart viel positive Energie. Ja, auch „Glow On“ ist keine perfekte Platte („Dance Off“ ist ein „Party Poison“-Klon, das letzte Drittel generell etwas durchwachsener), aber es ist die perfekte Platte für ein Jahr wie dieses – eines nahezu ohne Konzerte und mit zu viel einfallsloser Musik. Und es wird der Maßstab sein, an denen sich Hardcore und Rock in den nächsten Jahren messen müssen.
Mehr Worte zu den Platten jeweils in den verlinkten Beiträgen. Auf, dass die ganze Scheiße im Laufe 2022 nun endlich ein Ende findet! Take care.
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