Gute Nachrichten: Das Jahr 2020 ist fast geschafft! Es gibt wirklich genug Gründe, über dieses Jahr zu schimpfen, die Ereignisse zu verfluchen oder auch daran zu verzweifeln. Und mit Sicherheit wird mit dem Jahreswechsel nicht plötzlich alles ganz anders und wieder gut. Aber trotz allem gab es auch in diesem Jahr schöne Momente und vor allem gute Musik, die mich durch das Jahr begleitet hat. Genau darauf wollen wir jetzt einen Blick werfen, denn über alles Schlechte wird schließlich schon genug berichtet.
Meine Album-Highlights 2020
Kein anderes Album lief bei mir in diesem Jahr so oft rauf und runter wie “good luck” von den Kytes. Als das Album Ende Februar erschien, konnte man erahnen, was Corona uns noch alles bringen würde, aber im Großen und Ganzen schien die Welt noch in Ordnung zu sein. Die Gute-Laune-Vibes der Münchener machten Lust auf den Frühling und vertrieben jeden Winterblues. Songs wie “Go Out” und “Alright” schoben die Hörer*innen gefühlt vor die Türen der verstaubten Wohnungen, um bei der nächsten Indie-Party zu “Take Me Home” auf der Tanzfläche zu flirten. Tja, und dann schlug Corona zu. “Go Out” war nun wirklich nicht mehr das Motto der Stunde und aus “Take Me Home” musste kurzerhand “Stay At Home” werden. Trotzdem verlor das Album nichts von seinem Charme und begleitete mich durch das Jahr. Ein bisschen Leichtigkeit kann schließlich niemals schaden und mit der Klavierballade “Wheel” konnten die Kytes sogar in den düstersten Stunden ein bisschen Hoffnung schenken. (Interview zum Album hier)
Knapp hinter “good luck” liegt in meiner persönlichen Jahreswertung “Dear ___” von Jules Ahoi. Ich bin im Juni eher zufällig über das Album gestolpert, aber es hat mich sofort mit seinem ergreifenden Opener “3 AM” gepackt. Insgesamt bietet das Album auf einer Länge von 15 Songs schönste Singer-Songwriter-Momente, die zwischen Melancholie, genreübergreifenden Autotune-Spielereien, süßem Pop und bestechender Einfachheit hin- und herspringen und trotzdem ein wunderbar stimmiges Gesamtwerk bilden. (ausführliche Review hier, Interview zum Album hier)
Langersehnt war für dieses Jahr das Debütalbum “Rookery” von den Giant Rooks, das sich aber irgendwie so gar nicht nach Debüt anfühlte. Durch unzählige Liveshows und ihre bisher veröffentlichten drei EPs konnte sich die Band eine Souveränität erarbeiten, die dem Album deutlich anzuhören ist. Ausgetüftelte Sounds treffen auf mystische Texte, die eine gewisse Ratlosigkeit mit dem aktuellen Weltgeschehen und Themen wie der Klimakrise und Rassismus durchblicken lassen. Der einstige Indie-Geheimtipp ist groß geworden und hat mit Songs wie “What I Know Is All Quicksand” ordentlich abgeliefert. (Interview zum Album hier)
Erwähnenswert sind außerdem Provinz mit ihrem Debüt “Wir bauten uns Amerika“, das sich mit Ohrwürmern wie “Tanz für mich” und “Diego Maradona” in meinem Kopf festgesetzt hat. (Review von Yvonne hier) Und die Überraschung des Jahres waren wohl Madsen mit ihrem Punk-Album “Na gut dann nicht“, das nach den immer poppiger werdenden letzten Alben eine wirklich gute und schön laute Abwechslung ist! (Review hier)
Meine Konzert-Highlights 2020
Überraschung: Auch hier stehen die Kytes auf meinem Platz 1! Wie oben schon erwähnt wurde “good luck” noch kurz vor dem richtigen Corona-Einschlag veröffentlicht und dank dieses glücklichen Umstandes konnte der Release mit einem legendären “Triple M“-Abend gefeiert werden: drei Shows in drei Münchener Locations an einem Abend. Der Abend begann mit einem kuschelig-schwitzigen Konzert in der MS Utting, wurde dann bei einer beeindruckenden Show inklusive Background-Tänzerinnen in der Muffathalle weitergeführt und fand mit einem ordentlichen Abriss in der Milla sein Ende. Was würde ich jetzt für so einen Abend geben! Umso schöner, dass das Spektakel noch wie geplant stattfinden konnte! (Ausführlicher Konzertbericht hier)
Auch andere Pre-Corona-Konzert-Erlebnisse bleiben nach diesem seltsamen Jahr umso mehr in Erinnerungen. So war das Cardinal Sessions-Konzert von Drangsal in der Kulturkirche Köln definitiv ein Highlight, bei dem Max Gruber das Publikum auf seine ganz eigene Art unterhielt und seinen Songs im ungewohnten Akustikgewand ein ganz neues Gesicht verlieh. Auch die K.I.Z-Konzerte im Stereo in Bielefeld oder als Frauenkonzert in der Westfalenhalle sind jetzt eine schöne Erinnerung an eine Zeit, in der man noch wild durch die Menge springen und im Schweiß anderer Menschen baden konnte.
Doch ganz so düster, wie man es im Frühjahr hätte befürchten können, wurde das Konzertjahr 2020 gar nicht. Zuerst kamen die Autokonzerte (ein Bericht dazu von Yvonne hier), bei denen vor allem Die Orsons in Bonn bewiesen haben, dass auch solche Formate trotz aller Einschränkungen und mit der richtigen Begleitung (♥ an Yvi) wirklich Spaß machen können. Im Autofenster sitzend kann man nämlich fast schon tanzen und dank Sonnenschein, bunten Lichterketten und Feuerwerk war auch die Atmosphäre schöner als man es bei einem Platz voller Blechkisten erwarten würde.
Im Sommer folgten dann zahlreiche andere Konzepte von Biergarten-Konzerten mit DOTE über Juicy Beats Park Sessions mit Thees Uhlmann bis hin zu Strandkorb-Konzerten mit Joris. Gefühlt habe ich alle erdenklichen Konzepte mitgenommen und allesamt waren sie gut durchdacht und auf ihre eigene Weise schön, aber zwei Formate haben es mir besonders angetan. Die Summer Stage im Kölner Jugendpark hat mit liebevoller Lampion-Deko und bunten Kissen eine so schöne Location gezaubert, dass man beinahe vergessen konnte, dass man in eingezeichneten Parzellen auf alten Schulstühlen sitzt. Und immerhin durfte innerhalb der eigenen Parzelle sogar getanzt werden! Auch das Line-Up traf genau meinen Geschmack und bescherte mir mit Maeckes, Rikas und Jules Ahoi ein paar meiner persönlichen Sommer-Highlights. Fast schon richtige Festival-Atmosphäre kam bei den Picknick-Konzerten von Landstreicher Booking auf. Mit ein paar Freunden auf der eigenen Decke chillen, natürlich mit ausreichend Abstand zu den anderen Decken, während man es sich mit den mitgebrachten Picknick-Snacks und Getränken gut gehen lässt und vorne auf der Bühne wahlweise Faber, die Giant Rooks oder Provinz spielen – ein geniales Konzept, das aus der Situation definitiv das Beste gemacht hat und bei dem ich mir gut vorstellen kann, dass es auch nach Corona weitergeführt wird!
Beendet wurde dieses ungewöhnliche Konzertjahr schließlich mit einem außergewöhnlich schönen Dinner–Konzert im Gdanska in Oberhausen. Neben leckerem Essen gab es Indie-Chanson von Magdalena Ganter, die ihre Songs mit einer beeindruckenden Bühnenpräsenz und viel Charme präsentierte und so dem Konzertjahr einen würdigen Abschluss verlieh. (Konzertbericht hier)
Auch wenn sich mit dem Jahreswechsel sicher nicht alle Probleme in Luft auflösen werden, bleibt doch die Hoffnung, dass auch im Jahr 2021 wieder viel Platz für gute neue Musik sein wird und dass weiterhin kreative Konzepte dafür sorgen, dass die Livemusik nicht ganz verschwinden muss, bis wir irgendwann hoffentlich wieder im engen Gedränge zusammen schwitzen und rumspringen können.
Bildrechte: Beitragsbild: minutenmusik, Albumcover: Frisbee Records, Konzertbild: Andrea Holstein / minutenmusik. Die Rechte der Beitragsbildcover liegen bei Frisbee Records (Kytes), Beton Klunker Tonträger (Blond), Jkp (Antilopen Gang), Universal Music (Dua Lipa), Eklat Tonträger (K.I.Z), Bmg Rights Management (Dance Gavin Dance, Kvelertak), SO Recordings (Enter Shikari), Warner Music (Provinz, Hayley Williams), Smi Col (Bury Tomorrow), The Orchard (Hurts), No Sleep Records (Hot Mulligan), Epitaph (Touche Amore), Sony Music (Little Mix, Zugezogen Maskulin).
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