Jahresrückblick 2021: Julia

Was, das war’s jetzt? Musikalisch war dieses Jahr anders als sonst. Aber ist ja auch logisch, wenn weder 2020 noch 2021 in irgendeiner Form normal waren. Da können auch die paar hoffnungsvollen Wochen im Spätsommer nicht drüber hinwegtäuschen. Aber schon wie im vergangenen Jahr zeigt sich, dass die Musik tatsächlich auch in den schlimmsten Zeiten eine wichtige Stütze sind. Und in diesem persönlich wie gesellschaftlich sehr bewegenden Jahr dann noch intensiver, aber auch ganz anders als zuvor. Vorhang auf für meine Lieblinge des Jahres – Traditionen soll man wahren!

Persönliche Erkenntnisse 2021:

1. Rock ist tot. Oder nicht? Eigentlich egal.
Die Phrase gibt es vermutlich fast genau so lang wie das Genre selbst. Und klar, mit dem Comeback von Pop-Punk in den Mainstream gibt es immerhin ein kleines Hoch der Gitarrenmusik. Klammern wir diese mal aus und beschränken uns auf die Bubble, denen Riffs alles bedeutet – also nicht bedeutende Grenzgänger*innen wie Turnstile oder Willow. Die weiterhin bei jeder Form von Pop-Beat oder Strömungen der Pop-Kultur die Nase rümpfen. Rock wurde dieses Jahr in seiner Reinform für mich schlicht bedeutungslos. Was da an neuen Impulsen in den komenden Jahren noch kommen mag, erwarte ich dennoch gespannt.

2. Wenn alles schlecht läuft, soll Musik nicht auch noch den Kopf hängen lassen
Ja, Pandemie & Lockdown setzen uns mittlerweile so sehr zu, dass wir die Wörter am liebsten nie mehr lesen wollen würden. Aber wenn man sich ohnehin über viele Monate des Jahres zuhause einigeln oder zumindest auf Konzerte und Partys verzichten muss, soll neue Musik doch bitte etwas aufbauender sein. Langersehnte Platten von Lorde, Billie Eilish, Wolf Alice, Slothrust erscheinen – und treten alle mal völlig auf die Bremse. Klar, das ist ästhetisch wie klanglich eine Wohltat. Und einige Tracks treten aus dem Trübsal blasenden Komfortrahmen auch etwas hervor. Doch insgesamt konnten mich derartige Melancholie-Brocken noch weniger auf Dauer begeistern als in Zeiten vor dem bösen C. Dann doch lieber Stoff für Weltenflucht oder Upbeat-Euphorie.

3. Die Playlistisierung meiner Musiksammlung
Platten als Möglichkeit, die liebste Musik zu konservieren, haben für mich einen hohen nostalgischen Wert. Sie dann aber am Ende auflegen? Ob es nun an der puren Ödnis des Lockdowns liegt oder am kontinuierlich schneller werdenden Medienkonsum – mein Geduldsfaden für Alben ist zunehmend kürzer. Und 2021 sogar so klein, dass mir eine Auflistung meiner liebsten Alben erstmals sehr leicht fiel. Denn die wenigen Platten, die wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben und die ich gerne in Gänze höre, lassen sich schnell auf eine kleine zweistellige Zahl herunterbrechen. Konträr dazu wurde die Liste an Lieblingsliedern dafür umso länger. Von denen gab es nämlich Hunderte großartige Überraschungen. Ist das schon der Einfluss der Streaming-Kultur?

Lieblingsalben

13. Dead Sara – Ain’t It Tragic

12. The Sonder Bombs – Clothbound

11. Jake Bugg – Saturday Night, Sunday Morning

10. Bo Burnham – Inside

9. Arlo Parks – Collapsed in Sunbeams

8. Orla Gartland – Woman on the Internet

7. Torres – Thirstier

6. Noga Erez – KIDS

Ashnikko

5. Ashnikko – Demidevil

Ashnikko bringt schrille Cosplay-Ästhetik mit feministischem Rap und eingängigen Melodien zusammen. Alleine die Feature-Gäste des Debütalbums sprechen Bände: Kelis, Princess Nokia und Grimes markieren den groben Soundrahmen dieser Newcomerin, können das Spektakel aber doch nur andeuten. Großartige Platte voller Hits und Grafitti-Parolen.

Review:

4. Little Simz – Sometimes I Think I’m Introvert

Little Simz war schon mit ihren bisherigen EPs ein gern gesehener Gast in meinen Playlists, „Sometimes I Think I’m Introvert“ bringt das Songwriting-Genie nun in gänzlich neue Sphären. Denn was diese Platte hier mit großen Orchester-Bögen, wahnwitzigem Rap und starkem Storytelling verbindet, ist schlicht: monumental. Ein Album für Kopfhörer, Spaziergänge, zum Reinfallen lassen.

Mine-Hinüber-Cover

3. Mine – Hinüber

Letztes Jahr stand Mine noch mit ihrem Auftritt beim New Fall Festival auf meiner Nummer 1 der Konzerte des Jahres, dabei konnte ich ja noch gar nicht ahnen, was da schon für ein phänomenales Album in der Mache war. „Hinüber“ hat unbekümmerten Witz („Eiscreme“), tiefsinnige Apokalypsen-Stimmung („Unfall“) und dazu noch wunderschöne Pop-Beats („Elefant“) – alles auf höchstem Songwriting-Niveau. Spätestens nach dem tollen Interview ist mir klar: Mine ist der beste Wir sind Helden-Ersatz, den ich mir wünschen könnte.

Olivia Rodrigo

2. Olivia Rodrigo – Sour

Wenn schon vor Debütalbum-Release vom „nächsten großen Ding“ gesprochen wird, schrillen die Alarmglocken. Natürlich stimmt diese Prophezeiung nur selten. Als ich am 8. Januar das erste Mal „drivers license“ hörte, war ich elektrisiert. Und das trotz meiner Allergie gegen Teenage Herzschmerz. Das ist Pop in seiner pursten Form, so ernst gemeint und voller Gefühle, das es einfach funktionieren musste. Knapp 11 Monate später kann man sagen: Das stimmt. „good 4 u“, „brutal“ und „deja vu“ sind dabei nur die erfolgreichsten Tracks aus einem ganzen Feuerwerk an großartigen Songs. Klar, alle irgendwo im Thema Liebeskummer, aber eben manchmal als große Ballade, dann wieder mit knackigem Alt-Rock. Und die binnen Sekunden ausverkaufte Welt-Tournee beweist: Jap, das nächste große Ding.

Halsey If I can't have love I Want Power

1. Halsey – If I Can’t Have Love, I Want Power

Irgendwo in meinem musikalischen Kosmos tauchte der Name Halsey immer wieder auf, aber so ganz wollte unsere Verbindung bisher nicht fruchten. Das ändert sich mit „If I Can’t Have Love, I Want Power“ nun schlagartig. Wie sich hier Alt-Pop, Industrial und noch Dutzende andere Genres aneinanderreihen um den großen Narrativ der Frau als göttliche Entität eine Bühne zu bieten, ist Empowerment in Reinform. Klar, die Platte ist von Nine-Inch-Nails-Frontmann Trent Reznor produziert, aber sie ist dennoch eine Zelebration der Weiblichkeit – vor allem als Mutter. „I am not a woman, I’m a god“ heißt ein Song – und mit dieser Platte macht sich Halsey einen ähnlichen Titel in der Musikwelt.

Lieblingsnewcomer*innen

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Celeste

Eine Stimme wie ein warmer Mantel, Songs irgendwo zwischen Amy Winehouse und Paloma Faith, ein Debütalbum zum Augenschließen. Großes Kino!

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https://www.youtube.com/watch?v=3NmMX-mRp6Y

Nina Chuba

Ob internationel klingender Hyper-Pop oder abgeklärter Deutsch-Rap: Nina Chubas Fingerabdruck ist jetzt schon unverkennbar und vielversprechend.

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Remi Wolf

Ein weiteres Beispiel für die Früchte des Genre-Bendings! Sample über Sample entstehen hier die Hits von morgen.

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Wet Leg

Eine große Hoffnung für die Indie-Bubble des nächsten Jahres sind Wet Leg, die jetzt schon auf eine große Menge Vorschusslorbeeren bauen können.

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https://www.youtube.com/watch?v=NaFd8ucHLuo

Gayle

Ein Song reicht, um sie hier aufzuführen: „abcdefu“ ist einer dieser Songs, die nie kaputt gehen. Dass er bei TikTok entstanden ist, zeigt: So klingt der Zeitgeist.

Lieblingssongs

  • G Flip – Hyperfine
  • Muna, Phoebe Bridgers – Silk Chiffon
  • Weezer – Grapes of Wrath
  • Celeste – Stop This Flame
  • Fickle Friends – Million
  • Slothrust – Cranium
  • Girl in Red – Serotonin
  • Nina Chuba – Levitating
  • Alli Neumann – Frei
  • KOKO – 22s
  • Alice Merton – Vertigo
  • Doja Cat, SZA – Kiss Me More
  • Wolf Alice – Delicious Things
  • Biig Piig – Feels Right
  • Frank Carter – My Town (fear. Joe Talbot)
  • Go_A – Shum
  • Maneskin – I wanna be your Slave
  • Manchester Orchestra – Bed Head
  • WILLOW – transparent soul
  • chvrches – how not to drown
  • Turnstile – Mystery
  • Billie Eilish – Oxytocin
  • Gayle – abcdefu
  • Goodboys – Bongo Cha Cha Cha
  • Martin Jensen – Can’t Come to the Phone
  • Camila Cabello – don’t go yet
  • Avril Lavigne – Bite Me
  • Pvris – My Way
  • Sam Fender – Aye
  • Adele – Oh My God
  • Placebo – Beautiful James
  • Black Foxxes – Swim
  • Indigo De Souza – Hold U

Rechte an den Albencovern liegen bei Parlophone, AWAL, Caroline Records, Capitol Records & Interscope Records.

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