Unbeständigkeit ist gerade ein Ding. Sowohl im Weltgeschehen als auch in der Musik-Bubble. Abgesehen von Godmother Taylor Swift war dieses Jahr viel Rotation beim Hörverhalten angesagt: Alte Lieblingbands kamen mit großartigen Alben zurück, andere liebgewonnene Acts schossen sich mit Übergriffen und Fehlverhalten aus jeder Top-10-Liste – und dann gibt’s da noch die lange Liste an tollen Newcomern. Am Ende schossen zwei Überraschungen bei meinen persönlichen Alben und Konzerten sogar an gesetzten Top-Namen vorbei.
Es war ein gutes, wenn auch nicht aufregendes musikalisches Jahr. Prägende neue Sounds eher Mangelware, außergewöhnliche Songs und Popkultur-Momente (looking at you Barbenheimer) gab es dennoch zur Genüge. Und mit der Vorfreude auf das Debüt meiner absoluten Lieblingsnewcomer*innen des Jahres im Herzen, Taylor-Swift-Karten im Wallet und den Gerüchten einer neuen Lady-Gaga-Ära im Kopf, starte ich mit einer großen Hoffnung in 2024.
Doch jetzt – wie jedes Jahr – der viergeteilte Rückblick. Viel Spaß.
Lieblingsalben
20. Get Jealous – Casually Causing Heartbreaks
19. Mitski – This Land Is Inhospitable And So Are We
18. Erregung Öffentlicher Erregung – Speisekammer des Weltendes
16. FIZZ – The Secret To Life
15. RAYE. – My 21st Century Blues
14. Troye Sivan – Something To Give Each Other
12. Arlo Parks – My Soft Machine
11. BIBIZA – Wiener Schickeria
10. Bipolar Feminin – Ein fragiles System
8. Dream Nails – Doom Loop
7. Angie McMahon – Light, Dark, Light Again
6. The Beaches – Blame My Ex
Beim ersten Hören kam noch die große Enttäuschung durch die Lautsprecher, aber “GUTS” ist ein Grower. Olivia Rodrigo hat mit ihrem zweiten Album ihre Songwriting-Kunst nochmal verfeinert, auch wenn hier kein komplett neuer Sound zu hören ist. Genug Banger gibt es aber, um Fan-Gemüter zu besänftigen.
4. Fall Out Boy – So Much (For) Stardust
Die Überraschung des Jahres: Auch wenn mich die letzten beiden Alben maximal kalt gelassen haben, waren Fall Out Boy mit dieser Platte plötzlich wieder ganz oben. Da ist die Band wieder, in die ich mich als Teenie so verliebt habe: Epische Soundflächen, spannende Texte, große Songwriting-Momente. Danke!
1.000 mal gehört und dann hat’s Zoom gemacht. Oder so ähnlich. Mit “Perlen” und der zugehörigen Tour bin ich jedenfalls auch endgültig zum Blondinator geworden. Keine deutsche Band hat dieses Jahr Inhalt & Klang so zusammengebracht. Alles stimmt hier: Aussagen, Witz, Hits. Und ich hab’ mir endlich wieder Sims runtergeladen.
Über dieses Album wurde schon in jeder Late Night Show, jedem (ernstzunehmenden) Musikmagazin und jeder Radioshow genügend lobende Worte verloren. Ich kann mich jeder Hymne nur anschließen. Diese unvergleichliche Stimmharmonien zeigen im Kaleidoskop aus großartigen Songs vor allem eins: Wie eine tolle FLINTA-Freundschaft dem Supergroup-Begriff wieder Ernsthaftigkeit einhaucht. Für Queers gab es dieses Jahr nur eine Dreifaltigkeit: BakerBridgersDacus.
Nun also Platz 1 für eine Band, die ich vor diesem Jahr kaum auf dem Schirm hatte. Aber “Ride Or Die” hätte als klares 10/10-Album eigentlich bei viel mehr Listen einen hohen Rang verdient – denn dieser Indie ist so mauslieb, aber auch so unkaputtbar, so – jetzt wird’s kurz unangenehm – “groovy”, aber auch so melodisch. Liebe und Hits von der ersten bis zur letzten Sekunde – no killer, no filler. Öfter lief keine Platte dieses Jahr. Für ARXX bleibt damit immer ein warmes Plätzchen bei mir.
Lieblingskonzerte
10. Petrol Girls, Die Trompete Bochum, 08.06.
9. Boygenius, Palladium Köln, 16.08.
8. Froukje, Doornroosje Nigmege, 11.05.
7. girl in red, Palladium Köln, 09.04.
6. Fall Out Boy, Rudolf-Weber-Arena Oberhausen, 06.11.
5. Blond, Live Music Hall Köln, 29.11.
Nach dem Release von “Perlen” – meinem Platz 3 der liebsten Alben des Jahres – war die Vorfreude auf mein erstes Blond-Konzert entsprechend hoch. Doch dass es hier so musikalisch, so groß, so unterhaltsam werden würde, habe ich dann doch nicht erwartet. Das Blond-Abo für die nächsten Touren ist offiziell abgeschlossen.
4. Rainbow Kitten Surprise, Die Kantine Köln, 27.03.
Selbst bei der wirklich tollen Show von girl in red hat mein queeres Herz nicht so gezappelt wie bei Rainbow Kitten Surprise. Dank TikTok hat die Indie-Band mittlerweile zumindest etwas von der Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdient, und so war die Kantine ein einziger Safe Space voller Harmonien, absurd-guter Songwriting-Momente und lauten Chören. Zerschmettert wurden die Herzen bei Mental Health-Thematiken neben all der Queer Joy aber auch intensiv. Umso schmerzhafter, dass Rainbow Kitten Surprise nun vorerst wegen akuter mentaler Gesundheitsprobleme pausieren. Get Better Soon.
3. The Last Dinner Party, Reeperbahn Festival
Die Krux daran, als Musikjournalistin unterwegs zu sein: Die Begeisterung für neue Musik flaut bei der Masse an Neuerscheinungen ab. Umso schöner, wenn es dann doch wieder klappt: So begeistert wie von The Last Dinner Party war ich zuletzt bei der Entdeckung von Billie Eilish (!). Warum ich nicht aufhören kann zu schwärmen? Vielleicht ist es die kostümierte Ästhetik, vielleicht der ABBA-Florence-Grunge-Sound aus meinem kühnsten Fiebertraum, vielleicht aber auch dieser Album beim Reeperbahn Festival, der mir wegen der musikalischen Großartigkeit Gänsehaut von Haar- bis Zehenspitze eingejagt hat. 2024 wird ihr Jahr. Keine Frage.
2. Sam Smith, Lanxess Arena Köln, 08.05.
Eigentlich könnte hier auch einfach nur “Unholy” stehen, denn es war dieser Auftritt, der für immer in mein Konzert-Herz eingebrannt sein wird. Ein wahrlich epochaler, popkultureller Moment, wie hier dem Queerhass mit lodernden, tanzenden Höllenfeuern gegengehalten wird. Doch schon vor diesem großen Finale setzte unser aller Liebling Sam Smith mit einem opulenten, dreiteiligen Show-Konzept um Liebe & Sex neue Maßstäbe in Sachen Sound und Show. Ganz, ganz, ganz groß.
Bis kurz vor Beginn gab es schlicht keine Erwartungshaltung an dieses Konzert, das ich vor allem wegen A) Kat Frankies Auftritt beim Way Back When Festival vor einigen Jahren und B) meinem Interesse für Acapella-Musik besuchte. Dass Frankie und ihr BODIES-Ensemble am Ende sogar Sam Smith vom Thron stoßen würde, hätte ich niemals gedacht. Ab nun ist mein erster Tipp für alle, die sich auch nur ansatzweise für Musik begeistern können, aber klar: Holt euch Karten für dieses Kollektiv. Mein Körper hat bis jetzt nicht verarbeiten können, was für ein außerirdisches Klangspektakel an diesem Abend durch das Konzerthaus geisterte. Das gehört schlicht zu den besten Auftritten aus meinen 14 Konzertjahren.
Lieblingsnewcomer*innen
The Last Dinner Party
Schonmal erwähnt, dass ich The Last Dinner Party vergöttere? Jeder der bisher 4 veröffentlichten Songs trifft das Bullseye, ohne sich zu wiederholen. Ihr Sweet Spot steckt in der Dramaturgie, die groß und eingängig klingt, ohne die Abseitigkeit von ungewöhnlicheren Sounds zu meiden. So Hals über Kopf verliebt wie lange nicht mehr. Meine Prognose für 2024: Sky is the limit.
Tränen
Für die NNDW sind Tränen jetzt schon eine wunderbare Ergänzung: Ihr Debüt “Haare eines Hundes” ist erfrischend, klar und maximal unterhaltsam.
Uche Yara
Indie-Rock ist jetzt nicht gerade in seiner spannendsten Phase – aber Uche Yara holt mit verhallenden Gitarren, einem einzigartigen Timbre und Tattoo-würdigen Texten das Maximum raus. Gespannt, was da noch kommt.
Genesis Owusu
Genau genommen ist Genesis Owusu an dieser Stelle nicht richtig aufgenommen, sein Debüt erschien schließlich schon 2021. Mit seinem neuen Album “Struggler” hat es der australische Rapper aber nun auch in meine Heavy Rotation geschafft. Absoluter Tipp!
Sprints
In “Literary Mind” bin ich schon seit Erscheinen der ersten Version verliebt, nun erscheint 2024 endlich das Debüt der Sprints. So viel kann ich schon verraten: Hier steht eine neue Indie-Punk-Lieblingsband in den Startlöchern.
Mola
Wie lässig kann eine Stimme sein? Mola nur so: Jap! Hier ist also die nächste Musikerin, die auch einen Kassenzettel vorsingen könnte und damit begeistern würde. Dass die Songs dazu auch noch so wunderbar sind, macht es umso schöner.
Lie Ning
Dieser Mensch wurde für die internationalen Bühnen erschaffen: Die visuelle und musikalische Ästhetik, die butterweiche Stimmfarbe, die vielen Querverweise. Lieb’s.
Chappell Roan
Zum Abschluss ein neuer Stern am queeren Himmel: Chappell Roan landete mit “Femininomenon” als absoluter No-Brainer in meiner Liste, dann gab es mit “The Rise and Fall of a Midwest Princess” auch noch ein phänomenales Album on top. Exzentrisch, ausdrucksstark, bittersüß.
Lieblingssongs
- SZA – Kill Bill
- The Last Dinner Party – Sinner
- Lauren Mayberry – Shame
- OK KID feat. Paula Carolina – Es regnet Hirn
- King Gizzard & the Lizard Wizard – Gilgamesh
- Troye Sivan- One Of Your Girls
- Bleachers – Modern Girl
- Ray Laurél -Manic Pixie Dream Boy
- Olivia Rodrigo – bad idea right?
- Post Maloe – Somethig Real
- Ghost – Jesus He Kows Me
- Saló feat. Mia Morgan – Iternetfreundin
- Iozeak – Used to you
- Coi Leroy – Black Rose
- Chappell Roan – Femininomenon
- The Murlocs – Undone and Unashamed
- Liza Anne – Cheerleader
- Daði Freyr – Whole Again
- corook feat. Olivia Barton – If I were a Fish
- LIE NING – offline
- Joy Oladokun feat. Noah Kahan – We’re all gonna die
- Moyka – Rear View
- Sprints – Literary Mind
- BENEE – Green Honda
- Loyle Carner – Nobody Knows
- Miley Cyrus – Wildcard
- MOLA – Weil mein Herz ein Lügner ist
- Tiësto feat. Tate McRae – 10:35
- Mariybu – 112
- Kraków loves Adana – Oh Mother
- Angie McMahon – Mother Nature
Rechte von den Albumcovern liegen bei Universal, Fueled By Ramen, Beton Klunker Tonträger, Interscope & Submarine Cats. Konzertbilder von minutenmusik / Julia. Bild von BODIES von Cathleen Wolf. Die Rechte für die Cover am Beitragsbild liegen bei Geffen, Music For Nations, Beton Klunker Tonträger, Fueled By Ramen, Universal Music, Young, Sony Music, Tautorat Tonträger, Annenmaykantereit Records, Mercury Records, Grand Hotel Van Cleef & SM Entertainment.
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