Musikalischer Jahresrückblick 2023: Christopher

Zusammenstellung verschiedener Cover von Alben, die in 2023 erschienen sind und Teil des Jahresrückblicks sind.

In meiner ganz kleinen, persönlichen Bubble gab es gar nicht so viel wirklich Bewegendes dieses Jahr. Irgendwie war alles gut, nichts hat sich so groß verändert. Es gab auf jeden Fall echt schöne Momente und zum Glück nur ganz wenige nicht so schöne, sogar gar keine wirklich schlimmen. Dafür ist weltpolitisch einfach so viel los, dass ich recht oft überhaupt nicht weiß, was ich davon halten soll. Ob ich mich emotional betroffen fühlen muss oder es gut ist, es etwas auf Abstand zu halten. Ob ich überhaupt informiert genug bin, eine Meinung äußern zu dürfen.

So oder so ist 2023 einfach immer spätestens dann herausfordernd, wenn man vor die Tür geht und mit anderen Menschen in Kontakt tritt. Auch wenn ich selbst wohl oft eher starke Haltungen habe und diese gern vertrete, erschreckt mich die immer größer werdende Schere der Gesellschaft. Leider habe ich selbst für mich noch nicht den richtigen Weg gefunden, wann es sinnlos ist und man andere ignorieren muss oder wann ein Austausch allen Beteiligten hilft. Es ist und bleibt ein Learning.

Nach diesen bedeutungsschweren Worten bedanke ich mich trotzdem an dieser Stelle wie immer an das allerbeste Team on this planet – meine minutis – sowie an dich, liebe*r Leser*in. Schön, dass du dich neben den ganzen täglichen Herausforderungen für Kultur und Medien interessiert. Dieses Jahr komme ich auf 93 Berichte, mit diesem hier sind es 94. Was ich erlebt habe und wie ich es erlebt habe, erfahrt ihr jetzt:

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Kategorie 1 – Lieblingssongs:

War ich im letzten Jahr ziemlich begeistert und hatte unzählige Songs, die mich richtig abgeholt haben, war’s 2023 doch etwas dünner. Mir gefallen aktuell einige Entwicklungen nicht so. Irgendwie kann ich mit Sounds, die gerade im Trend sind, recht wenig anfangen. Aber macht ja nix. 10 geile Tracks hab ich trotzdem gefunden – und 5, die mich auf unterschiedlichem Wege voll genervt haben:

10) Oberkörperfrei // Blond:

Blond sind definitiv eine der Bands, die 2023 ganz schön dominiert haben. Auch wenn ich das Album nur gut, aber nicht hervorragend finde, halte ich zumindest „Oberkörperfrei“ für ein richtiges Brett. Ich liebe die Attitüde, ich liebe das Video, ich liebe es, es ständig als Ohrwurm zu haben. Erfrischende und kreative Kombi aus Trap, Rap, Indie mit viel Selbstironie und einer Portion Sozialkritik. So will man’s doch haben. I’m not gonna lie.

09) Vergessen wie // Peter Fox:

Ähnliches Spiel wie bei Blond: Zweites PeterFox-Soloalbum – immer noch völlig surreal, dass der nur so wenig im Alleingang herausgebracht hat – ist auf jeden Fall solide, aber für den richtigen Kick wie damals bei „Stadtaffe“ hat’s eher nicht gereicht. Dafür gibt es aber drei, vier Songs, die wirklich hervorstechen, unter anderem diese wundervolle Lean-Back-Reggae-Pop-Nummer, die mich unmittelbar die Hüften grooven lässt. Und mit dem Text kann ich auch ganz gut relaten.

08) Wild Grey Ocean // Sam Fender:

Ihr wisst, ich bin gern mal late to the party, so auch bei Sam Fender. Aber früher oder später kommen tolle Acts ja auch bei mir an, und ja, „Wild Grey Ocean“ hat komplett gezündet. Was für eine tolle Stimme, was für eine einhüllende Atmosphäre. Indie-Dream-Pop, wie ich ihn brauche. Wie schön ist es einfach, wenn man nicht weiß, ob man beim Hören weinen oder lächeln soll. Zum Finale gibt’s noch ein Saxophonsolo on point.

07) Houdini // Dua Lipa:

Ich habe verdammt große Angst vor dem für 2024 angekündigten DuaLipa-Album, einfach weil ich das vorige wirklich für eine 11 von 10 halte. Schon jetzt ein starker Anwärter für das in meinen Augen beste Album des gesamten Jahrzehnts. Das zu wiederholen, wird unmöglich. Aber „Houdini“ hat meine Angst minimiert. Ich weiß nicht, wie sie es macht, aber wie sie es macht, macht sie es richtig. Eine Hook, die auf einen niederprasselt und spätestens nach dem dritten Durchlauf nicht mehr loslässt.

06) Enjoy Your Life // Romy:

Warten wir in wenigen Wochen bereits sieben Jahre auf die vierte LP von The xx, hat stattdessen Romy es endlich solo probiert – und so geliefert. Spoiler: Weiter unten in dieser Liste taucht sie nochmal auf. Aber zunächst soll es um das wunderbare Feeling in „Enjoy Your Life“ gehen, das mich einfach so glücklich macht. Beim Hören habe ich für kurze Zeit wieder das Gefühl, 16 zu sein. Es sind Sommerferien und ich bin mir sicher, das Leben ist endlos. Tanz drauf!

05) Auf die Party // badmómzjay x Domiziana:

Domiziana ist der Beweis dafür, dass ich nicht komplett in früheren Lieblingssounds hängengeblieben bin, sondern immer mal wieder auch mit den 2023-Tracks ganz gut kann. War ihr „Ohne Benzin“ letztes Jahr mein Plaz 2, gibt es dieses Jahr im Duett mit badmómzjay immerhin einen wirklich starken Platz 5. Das ballert, das treibt, das zieht einen mit und bringt einen an mehreren Stellen wirklich zum Schmunzeln. Ganz, ganz böser Ohrwurm. Der guten Sorte selbstverständlich.

04) Who The Hell Is Edgar // Teya & Salena:

Einziger Eurovision-Beitrag in der Top 10 in diesem Jahr. Schlecht war der Wettbewerb 2023 nicht, aber es gab wenig, was langfristig nachgehallt hat. Auch wenn das österreichische „Who The Hell Is Edgar“ nicht mein eindeutiger Favorit im Wettbewerb war, ist es der Song, den ich am häufigsten gehört habe – übrigens auch laut Spotify Wrapped. Macht einfach Laune, geht zu jeder Tages- wie Nachtzeit und funktioniert mit und ohne Bühnenshow. Kreativität siegt, wenn auch, wie dieses Jahr wieder bewiesen, nicht immer beim ESC. Siegerinnen der Herzen.

03) Kein Problem // Tristan Brusch & Annett Louisan:

Ein Duett, das für mich gemacht wurde, oder? Tristan Brusch definitiv mein deutscher Lieblingskünstler der letzten drei Jahre, Annett Louisan schon immer eine meiner Liebsten. Beide haben mit ihren Arbeiten mit Produzent Tim Tautorat so perfekt abgeliefert – aber dann gibt es noch dieses traumhafte Duett, das sich gleichzeitig lasziv wie intensiv und rührend anfühlt. Ein Duo, das man so wohl niemals erwartet hätte, aber einfach matcht.

02) Ordinary World // Adam Lambert:

Coverversionen haben es bei mir äußerst schwer, zumindest wenn ich das Original sehr liebe. „Ordinary World“ war für mich immer eines dieser „Joa, ganz nett“-Lieder – was aber das Übertalent Adam Lambert hier herausgeholt hat, ist unglaublich. So hat sich der DuranDuran-Classic noch nie angefühlt. Vocals und Emotionen in Perfektion. Das geht richtig tief. Und aus mir schleierhaften Gründen gab es die Single nicht auf der letzten Tour. Enttäuschend.

01) Ich weiss es nicht // Mine:

Wenn ich einen Song am Releasetag sechs- oder siebenmal anmache und jedes Mal aufs Neue damit kämpfe, wie stark er mich berührt, dann ist das schon sehr außergewöhnlich. Mine ist eh eine der most underrated Personen im deutschen Musikbusiness, aber „Ich weiss es nicht“ ist für mich next level. Mit Sicherheit für die Indie-Kids nicht ganz so außergewöhnlich, dafür aber eine Pianoballade, die man komprimierter und intensiver kaum vorlegen kann. Atemberaubend. Meine Vorfreude auf den kommenden Longplayer „Baum“ ist unermesslich.

Nicht-So-Lieblingssongs:

05) Sommer // Casper & Cro:

Ich mag keinen Song von Cro. Wirklich keinen. Aber ich mag recht viel von Casper. Eigentlich so ziemlich alles zwischen seiner „XOXO“- und „Lang lebe der Tod“-Schaffensphase. Doch offensichtlich scheint auch er ganz viel von dem verloren zu haben, was ihn ausmacht. „Sommer“ ist eine dieser schrecklichen Singles, die man wirklich nicht hören will, einfach weil sie so plump und doof sind. „Wann fühl‘ ich mich wieder wie neu?“, heißt es. Ja, frage ich mich auch. Gib dann mal laut.

04) So raus // Alligatoah & Fred Durst:

Strenggenommen finde ich „So raus“ gar nicht so schlecht, dass es als einzelnen Song betrachtet diesen Platz verdient hätte – aber hier geht es schlichtweg ums Prinzip. Ich habe wirklich jegliche Achtung vor Alligatoah verloren. Wie sehr habe ich den doch mal gemocht… wow. Aber dieser ganze PR-Mist um „Hört er nun auf oder nicht?“ ist so low, so peinlich, so needy, dass ich diesen Song einfach hasse für das, was er als Message verkauft. Nicht dafür, wie er klingt. Ich bin Alligatoah tatsächlich sogar auf sämtlichen Social Medias entfolgt, und wir wissen alle – dann ist ernst.

03) Vois Sur Ton Chemin // Bennett:

Ich finde Techno der 90er richtig großartig. Wirklich. Es gibt so viele Tracks, auf die ich täglich Lust habe. Aber das, was gerade in der Musikszene passiert, kann ich mir nicht geben. Sowieso war es nie der beste Einfall, einfach irgendwelche populären Melodien mit aktuellen Beats zu unterlegen. Niemand hat dafür ernsthafte Props verdient. Was man hier mit „Vois Sur Ton Chemin“ aus „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ gemacht hat, tut weh. Also wirklich. Mir tut das beim Hören im Ohr weh.

02) Mädchen auf dem Pferd // Luca-Dante Spadafora, Niklas Dee & Octavian:

Oh, erkennen wir da ein Muster? Ja, tun wir. „Mädchen auf dem Pferd“ ist bereits im Original nicht mein Song, aber als Filmbeitrag für „Bibi & Tina“ natürlich absolut ok. Ich bin eben nicht die Zielgruppe. Aber auch hier ist die Verwurstung wirklich scheußlich. Man kann sich das alles schönreden mit „Sowas hören junge Leute eben heute, wer da nicht mitgeht, ist alt“, aber I don’t care. Ich finde, es klingt einfach nervig, unangenehm und wie hingerotzt.

01) Friesenjung // Ski Aggu, Joost & Otto Waalkes:

Nur konsequent muss ich dann „Friesenjung“ auf die Flop 1 setzen. Ey, ganz ehrlich – einfach nein. Einfach nein. „Englishman in New York“ von Sting ist hervorragend, „Friesenjung“ von Otto irgendwie ganz lustig, aber das hier ist so prollig und hohl, dass ich es mir nicht mal schönsaufen könnte. Checke den Humor daran auch nicht. Ich hätte gerne den DavidGuetta-Sound aus den 10ern zurück. Und ich hätte wirklich niemals gedacht, dass ich das mal wage, zu sagen. Kann nicht mehr.

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Kategorie 2 – Lieblingsalben:

Kurz bevor ich das Jahr nochmal durchgegangen bin, war ich davon überzeugt, dass ich bei den Alben aus 2023 wenig bis nichts finde, was mich wirklich begeistert hat. Und ja, es gibt auch nur sehr wenige, die ich richtig, richtig gut fand, aber doch so einige, die ich zumindest als gelungen wahrnahm. Zehn davon habe ich für euch ausgesucht. Allerdings fand ich eben auch die, die ich schon wieder verdrängt habe. Oder es zumindest versucht habe. Zu vielen LPs findet ihr auch Verlinkungen, über die ihr zu meinen ausführlichen Besprechungen kommt:

10) Das ist los // Herbert Grönemeyer:

Erstmalig hat Herbert Grönemeyer nicht die Nummer 1 der Albumcharts erreicht – seit 1984. Geschlagen geben musste er sich gegen Depeche Mode. Ok, das kann man verzeihen. Mit dem Inhalt hat das Ganze aber so gar nichts zu tun, denn der ist auf „Das ist los“ wieder ganz vorzüglich. Abwechslungsreiche Themen, kreative wie unterschiedliche Beats, aber im Kern immer das, was man hören will, wenn man Grönemeyer anmacht. Funktioniert auch live richtig gut.

09) König:in// AnNa R.:

Was war ich skeptisch. Vor dem ersten Durchlauf von AnNa R.s „König:in“ war ich verdammt nervös, denn wenn die Sängerin der einstigen Lieblingsband etwas solo herausbringt, dann ist das schon besonders. Und mit hohen Erwartungen verbunden. Der ganz große Wurf ist das Album nicht, aber auch weit weg von Enttäuschung. Es ist seit der weiterhin anhaltenden Rosenstolz-Pause das Beste, was AnNa bisher gemacht hat. Einige Low-, aber eben auch einige Highlights finden sich hier. Ein Stück von ihr ist wieder da. Das stimmt milde.

08) Portraits // Birdy:

Ein Debütalbum für die Ewigkeit, das den Singer/Songwriter der frühen 10er perfekt festhält – dann aber eine gefühlt nicht enden wollende Flaute. Doch Birdy ist zurück. Live wie auf Platte. „Portraits“ klingt reif, frisch, positiv, energievoll und ist mehr Indie als Pop. Das ist konsequent und trotzdem keinerlei Selbstverleumdung. Hinterlässt ein uplifting Feeling, das man gern in sich aufsaugt.

07) Rush // Måneskin:

Ist ein nur gutes Album bei Måneskin schon eine Enttäuschung? Im ersten Moment bestimmt. Hat man sich aber einmal etwas akklimatisiert, findet man auf „Rush“ viele extrem starke Rocksongs, die alles beinhalten, was man von den Italiener*innen erwartet. Und das ist doch genug, oder nicht? Gern darf für die nächste Runde etwas mehr Zeit verstreifen, gern darf man mehr zurück zu den italienischen Wurzeln. Aber ansonsten soll alles so bleiben.

06) Der Sommer ist vorbei // Juli:

Ein weiteres Kapitel aus dem „Totgesagte leben länger“-Buch. Juli sind eine Nostalgieband. Das wissen sie aber auch. Trotzdem hat die Band es mit dem ersten Album seit fast neun Jahren geschafft, zu den ursprünglichen Klängen und Stärken zurückzufinden, gleichzeitig aber nicht zu verheimlichen, dass man Ü40 ist. Ein wirklich schönes, nicht zu einfaches und nicht zu altkluges Deutsch-Pop-Stück, das zwar nicht jede*n juckt, aber dafür Fans glücklich machen muss.

05) Es ist Abend und wir sitzen bei mir // AnnenMayKantereit:

Auch wenn man AnnenMayKantereit ein bisschen über hat und sie nicht mehr ganz die Band der Zeit sind, machen sie einfach weiterhin wirklich gute Musik. „Es ist Abend und wir sitzen bei mir“ ist der beste Output seit dem Debüt und liefert alle Qualitäten, wofür Henning, Christopher und Severin stehen. Verschrobene Alltagsbeobachtungen, irrsinniger Witz, melancholischer Trübsal. Viel Akustik. Hat mir super gefallen.

04) Gloria // Sam Smith:

Selbstfindungsphase geglückt. Da besteht keinerlei Zweifel. Nach überaus erfolgreichem Pop-Soul, nach einem etwas misslungenen Wiederholen dessen, nach einem Umherirren kommt auf dem aktuellen SamSmith-Werk endlich das zum Vorschein, was Sam* wohl ist, sein möchte und dazu noch richtig gut kann. „Gloria“ ist gesanglich fantastisch, melodisch, toll produziert und legt sich in den Genres nicht fest. Warum auch eins bedienen, wenn man doch drei, vier kann. Eben. Das sei Sam wirklich gegönnt.

03) Babyblue // Annett Louisan:

Fan bin ich einfach seit 2004. Seit „Das Spiel“. Annett Louisan hat seitdem eigentlich nie ein schlechtes Album herausgebracht. Hier und da gefiel mir das eine nur mal besser als das andere. Aber „Babyblue“ ist für mich der perfekte Mittelweg aus neuer Facette mit größerem, epochalerem Klang, mehr Drama im Gesang, aber auch den niemals schlechter werdenden Texten, die sich immer wahnsinnig nah anfühlen. So eng komprimiert war die Dichte an starken Titeln noch nie.

02) Mid Air // Romy:

Ja, ich vermisse The xx. Die waren zwar nie meine Lieblingsband, aber wenn sie liefen, mochte ich den Moment immer sehr. Romy hatte wirklich keine leichte Aufgabe, diese jedoch mit Auszeichnung bestanden. Es klingt nach The xx, gleichzeitig nach 90er-Sampler, dann nach so vielen Möglichkeiten, die man ergreifen sollte, dann wiederum theatralisch-queer. Habe ich in kurzer Zeit zig mal gehört. Das passiert gegenwärtig nur noch sehr, sehr selten. Aber es geht noch.

01) Am Wahn // Tristan Brusch:

Mein persönlicher König der deutschsprachigen Musik. Was Tristan Brusch in den letzten drei Jahren geliefert hat, ist purer Wahnsinn. Im positiven wie negativen Sinne. Mit Sicherheit sind viele eher bei „Am Rest“ als beim neuen „Am Wahn“, ich würde aber sagen, dass „Am Wahn“ vielleicht noch einen Tick besser ist. Zwar weniger rund, weil weniger schwer – aber dafür eben musikalisch aufregender gestaltet. Eine traumhafte Melodie jagt der nächsten, die nur noch mehr Entfaltung genießt, weil der dazugehörige Text einen gnadenlos mit voller Wucht emotional malträtiert. Danke, Tristan, für deine intensiven Gedanken, die du mit uns teilst.

Nicht-So-Lieblingsalben:

05) Nur Liebe, Immer. // Casper:

Ich sagte es schon bei meinen Flop-Songs: Casper hat’s für mich einfach richtig verkackt. Von dem ganz großen Ding im Deutsch-Rap, das eben so viel mehr war als nur Deutsch-Rap, zu einem so generischen, langweiligen Gedönse, das wenig bis nichts aussagt und dazu auch noch richtig ätzend klingt. Eine LP, die nur aus B-Material besteht. All Filler, no Killer. Das lässt mich so unbeeindruckt zurück, da hätte ich auch gar nix hören können.

04) Broken By Desire To Be Heavenly Sent // Lewis Capaldi:

Lieber Lewis Capaldi, ich merke, dass es dir offensichtlich so gar nicht gut geht. Auf Konzerten gibt es einen Abbruch nach dem nächsten, auf Platte will man von dir nur noch das zweite, dritte, vierhunderttausendste „Someone You Loved“. Das klappt aber offensichtlich nicht. Nimm dir doch stattdessen die Zeit, die du brauchst, schreib gute Songs und keine „Mehr fiel mir nicht ein“-Ware und sing vor allen Dingen in Lagen, die du dann auch meisterst. Ich bekomme Halsschmerzen vom bloßen Zuhören. Jedes Mal. Und verdammt viel Mitleid.

03) Splitter // Julia Engelmann:

Ganz kurios: Ich finde ja wirklich, dass Julia Engelmann echt was kann. Meine ich ganz ernst. Ich war mal bei einem ihrer Auftritte und der hat mir sehr gut gefallen. Aber nach dem grässlichen Debütalbum hätte sie doch schon merken müssen, dass das mit der Musik nicht so richtig funktioniert. Zwar ist die zweite LP in Schulnoten statt einer 5- wahrscheinlich so eine 5+, aber ob das jetzt positiv hervorzubringen ist… ich weiß ja nicht… das ist einfach alles ganz unangenehm beim Hören. Hätte ich doch die Texte einfach besser nur gelesen.

02) Das Leben ist schön // Anna Loos:

Diesmal zu sehen in der beliebten Reihe „Heute zeigt sie uns, was sie nicht kann“: Anna Loos. Nach einem gelungenen Solodebüt ist Album 2 wirklich nicht weniger als ein gnadenloser Totalausfall. Kein einziger Song ist gut. Das muss man auch erstmal schaffen. Uninspiriert, desillusioniert, herumdümpelnd, langweilig. Überhaupt einen kompletten Durchlauf auszuhalten, gleicht einer sechsstündigen Deutschklausur im Abi.

01) Our Songs // Anastacia:

Ist das eine Parodie? Reine Provokation? Pure Abzocke? Bitterer Ernst? Jede Option ist nahezu gleich verwerflich. Anastacia hat zwar immer noch die Stimme, aber bekanntermaßen ewig keinen Hit mehr. Und wenn eben alle Songideen aufgebraucht sind, covert man kurz während eines größeren Toilettengangs diverse Gassenhauer aus Deutschland auf Englisch und nennt das liebgemeint „Our Songs“. Aber wir wissen es alle: Liebgemeint ist alles andere als lieb. Unterstes Niveau, null Prozent Ambition, minus fünf Prozent Musikalität. Macht mir Sodbrennen.

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Kategorie 3 – Konzerte:

Mein neuer persönlicher Rekord: 51 Konzerte habe ich dieses Jahr besucht. Das sind nochmal fünf mehr als 2019. Und gleichzeitig gab es wirklich noch nie so viele Highlights. Man merkt, dass nochmal einige nachgeholte Shows aus der Corona-Pandemie in dem Jahr dabei waren, denn gefühlt war wirklich jeder Megastar hierzulande zu sehen. Locker zwei Drittel der Konzerte waren gut, wirklich enttäuscht hat mich fast nichts. Eine Show würde ich sogar in die Top 5 aller Konzerte stecken, die ich jemals gesehen habe. Doch dazu dann etwas weiter unten mehr. Verpasst habe ich Beyoncé, Lizzo, Robbie Williams, Madonna, The Weeknd und Harry Styles, aber gesehen und sehr genossen dafür…

10) Delta Goodrem, Köln:

Dass Menschen wie Delta Goodrem die Gelegenheit genommen wird, weltweit durchzustarten, ist eine bodenlose Frechheit. Auch wenn ihre erste Single hierzulande „Lost Without You“ damals nicht komplett durch die Decke ging, hätte sie so wie in ihrer Heimat Australien zumindest die Chance bekommen müssen, auch hier auftreten zu können. Das holt sie nun endlich mit neuen Vorgesetzten nach – ihr Auftritt in Köln bewies, dass sie zu den stärksten Sängerinnen der Welt zählt. Und das Talent möchte ich nicht zum ersten und letzten Mal live gehört haben.

09) Miss Allie, Dinslaken:

Der womöglich bekannteste Geheimtipp des Landes. Bei der Anzahl an Tourterminen… Miss Allie hat ihre Nische gefunden und macht mit ihrer völlig bezaubernden Art auch zweieinhalb Stunden so kurzweilig wie wenige andere Artists. Lachen und Weinen im Wechsel, ebenso Schunkeln und Innehalten. Eine ganz eigene Kreation aus Comedy, Poetry-Slam und Singer/Songwriter. Funktioniert Live noch ums Hundertfache besser als auf Platte, und da ist’s ja auch schon rührend. Toll.

08) Guildo Horn & Die Orthopädischen Strümpfe, Bochum:

Drittes Jahr in Folge Christuskirche, drittes Jahr in Folge Guildo Horn. Karten für nächstes Jahr sind bereits gekauft, eigentlich zählt man schon die Tage. Das ist einfach so eigenwillig, so voller Lebensfreude, so wahnsinnig wie faszinierend. Mir gehen so langsam die Worte aus. Wenn mich aber dasselbe Konzept dreimal in Folge abholt, dann kann es wirklich nicht schlecht sein. Ich rede mir den Mund fusselig, aber bitte, bitte geht nächstes Jahr endlich alle hin. Ihr werdet anschließend jede Tour bereuen, die ihr zuvor verpasst habt.

07) Annett Louisan, Köln:

Ach, Annett. Es fühlt sich einfach immer so gut an, eines ihrer Konzerte zu sehen. Eigenwillig, wunderbar musikalisch, sympathisch, berührend, reif und doch jung geblieben. Nachdem mich ihr Album im Frühjahr vollends überzeugt hat, musste ich natürlich auch zur Tour – und wurde keine Sekunde enttäuscht. Auf der einen Seite gibt es das, was man immer schon an ihr liebte, auf der anderen Seite gleichzeitig aber immer auch etwas Neues zu entdecken. Leben wird eben nicht langweilig. Eine Frau mit so viel Identifikationsfläche.

06) Electric Callboy, Köln:

Wenig erwartet und extrem viel bekommen. Electric Callboy sind für mich die Liveüberraschung des Jahres. Generell ist das ja eher weniger mein Genre, aber wenn man mit so viel Druck, so guten Hooks, so bombastischen Specialeffekten und so viel Ironie wie Liebe für die Fans auftritt, lasse ich mich gern davon mitreißen. Ganz nebenbei war das wohl das am meisten eskalierende Publikum, das ich jemals gesehen habe. Ein Glück, dass ich Opi aufm Rang war. Habe ich mir dann ein halbes Jahr später gern noch ein zweites Mal in Oberhausen gegeben.

05) Björk, Hamburg:

Endlich. Über 15 Jahre stand sie auf der To Do, nun durfte ich sie sehen. Björk hat zuletzt vor über 20 Jahren in NRW gespielt. Generell gibt es nahezu nie Konzerte von ihr in Deutschland, somit waren die mehr als 300 Kilometer in Hamburg halt notwendig. Mit Sicherheit werden sehr viele den Saal enttäuscht verlassen haben, denn Hits gab es quasi gar keine. Stattdessen wirkten diese anderthalb Stunden wie eine magische Kunstperformance in einem Museum. Noch nie habe ich ein derartiges Livekonzert gesehen. Das war einfach etwas komplett anderes. Heftige Wirkung.

04) Birdy, Köln:

Ich verfolge Birdy seit „Skinny Love“. Hat mich ihr Debütalbum damals komplett weggehauen, hat sie mich doch danach ein wenig verloren. Nie so ganz, aber fast. Zum Glück war meine Neugier aber groß genug, sie zum zweiten Mal und damit fast eine Dekade später live sehen zu wollen, denn das war die perfekte Entscheidung. In jedem Punkt hat sie sich verbessert und somit bewiesen, dass sie eine der Größten im Alternative-Pop ist. Verdammt viel Gänsehaut und eine bemerkenswerte Weiterentwicklung.

03) Herbert Grönemeyer, Dortmund:

Ich sage es gerne nochmal, aber trotz seines Alters ist Herbert Grönemeyer einfach der beste Liveact Deutschlands. Niemand hält drei Stunden auf diesem Niveau, niemand bringt solch eine Masse zum Mitsingen, ohne dabei auch nur eine Spur im Trash abzuknicken. Neue Songs reihen sich nahtlos in eine ganze Batterie voller Megahits ein. Einmal alle Gefühle im Großformat bitte. Der Gedanke, dass es kommenden Sommer das Jubiläum zum Album „4630 Bochum“ im Bochumer Stadion gibt, lässt Schauer über meinen Rücken laufen. Möge das noch ewig so weitergehen. Lebende Legende.

02) Beth Hart, Düsseldorf:

In jedem normalen Ranking hätte diese Show die sichere 1 belegt. Beth Hart in Düsseldorf war aus musikalischer Sicht das Beste, was ich jemals gehört habe. Das war Perfektion und nichts darunter. Und ja, das habe ich schon 2019 über Beth Hart gesagt. Damit ist sie nun das beste und gleichzeitig das zweitbeste, was ich musikalisch jemals auf einem Konzert erlebt habe. Die Frau ist out of the universe, die Band absolutes Weltniveau. Das ist einfach so entschieden besser als das, was man durchschnittlich bekommt und somit ist auch eine 10 von 10 eigentlich noch zu wenig.

01) Sam Smith, Köln:

Nicht nur die klare Nummer 1, sondern zusätzlich für mich eines der fünf besten Konzerterlebnisse, die ich je hatte. Und ich war auf über 270 Konzerten. Absolut sensationell gesungen hat Sam Smith schon 2018. Eine fantastische Band gab es auch schon vor fünf Jahren. Wenn aber zusätzlich in der Bühnenshow eine Geschichte erzählt wird und das Ganze eine klar erkennbare Klimax beinhaltet, ist das einfach next level. Verglich man ihn zuvor musikalisch gern mit Adele, ist er jetzt für mich zusätzlich ebenbürtig zu den Shows einer Lady Gaga. Das ist gelebte Queerness, gelebte Body Positivity und somit alles, was andere nur behaupten zu sein. Ich werde ewig noch von diesem Konzert erzählen.

Nicht-So-Lieblingskonzerte:

05) Max Herre, Dortmund:

Schade. Ich war 2018 vom Freundeskreis-Konzert so positiv überrascht, dass ich mich richtig darauf gefreut hatte, Max Herre erneut live sehen zu dürfen. Leider hat das Konzept der Show – Rap mit kleinem Kammerorchester – für mich zero funktioniert. Im Konzerthaus waren wohl nie zuvor so viele Hip-Hop-Fans, und keiner wusste, wie man sich am besten verhält. Aufstehen oder Sitzen? Klatschen oder nicht? Mitsingen oder nicht? Auch innerhalb der Musiker*innen passte das Timing oft nicht. Ein Konzert, das wahnsinnig underwhelmed.

04) Fettes Brot, Dortmund:

Old-School-Deutsch-Rap, die Zweite. Fettes Brot kündigen eine Abschiedstour an, das stimmt natürlich etwas traurig. Dass man allerdings so wenig aus den Möglichkeiten holt, ist auch eine Kunst. Fühlte sich null nach Abschied an, stimmte nicht richtig nostalgisch, machte aber auch sehr wenig Partyfeeling. Wirkte viel mehr wie ein Zusammenkommen von Menschen, die so gerne noch in dem Alter wären, feiern zu wollen, aber, wenn sie ehrlich zu sich wären, am liebsten in dem Moment einfach nur auf der Couch liegen würden.

03) Placebo, Bonn:

Placebo sind eigentlich ein guter Liveact. Eigentlich. Zum Beispiel hat mich die Best-of-Tour 2016 in Köln total begeistert. Geht man aber mit der Haltung auf die Bühne, dass man fast ausschließlich nur das neue Album spielt und man auf Hits wenig bis gar keinen Bock hat, ist das irgendwie ätzend. Schließlich sind es die Hits schuld, dass gerade überhaupt so viele Leute vor einem stehen. Kommen dann noch schlechter Sound und miese Location dazu, ist das leider ein sehr unbefriedigendes Konzerterlebnis, das man fünf Minuten, nachdem es vorbei ist, quasi schon vergisst.

02) Ava Max, Köln:

Ich liebe einige Songs von Ava Max wirklich sehr. Nicht alle, aber einige. Zweimal hat sie bereits meinen Song of the Year gedroppt, weil einfach geiler Pop. Aber live ist das ja wirklich nix. Im wahrsten Sinne. Fast alle Spuren kommt vom Band, ab und zu – wenn sie denn gerade Mal Lust und Luft genug hat – wird mal ein bisschen drüber gesungen. Ansonsten gibt es eine Bühnenshow, die wirkt, wie ein Auftritt bei Viva Interaktiv Ende der 90er. Der erneute Beweis: Gute Songs allein reichen noch längst nicht für ein gutes Konzert.

01) Tokio Hotel, Bochum:

Noch nie hat ein Konzertbericht von mir so viel negatives Feedback bekommen. Noch nie wurde ich so angefeindet. Aber ganz ehrlich – ist mir egal. Jeder Act bekommt von mir exakt dieselbe Chance. Und ob da Tokio Hotel oder jemand anderes steht, tut für mich nichts zur Sache. Ich finde Bill und Tom wirklich sympathisch, meine ich ganz ernst. Aber das Konzert beim Zeltfestival Ruhr war von 51 Konzerten in diesem Jahr eindeutig das schlechteste. Fast nichts live, keinerlei Interaktion innerhalb der Band, Langeweile bereits beim ersten Song. Das ist einfach schlecht. Sorry not sorry.

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Kategorie 4 – Musicals & Shows:

Persönlicher Rekord, Nummer 2: 34 Musicals und Shows habe ich besucht, darunter auch Zauberei und Comedy. Berücksichtige ich hier alles mal, da es ansonsten doch etwas kleinschrittig wird. Leider gab es nichts, was mich komplett umgehauen hat, dafür viele, die ich auf ähnlichem Niveau gut fand. Sowieso war 2023 in Sachen Musicals ein wenig Leerlauf. Allerdings darf man großen Premieren wie „& Julia“, „MJ“, „Hercules“ oder „Ku’damm 59“ im nächsten Jahr entgegenblicken.

10) Ghost – Das Musical, Düsseldorf:

Mit einer ziemlich hohen Erwartungshaltung habe ich dieses Musical besucht, denn sehr lange war die Broadway-Inszenierung, die ich 2012 gesehen habe, mein Lieblingsmusical. Dass man dort nicht heranreicht, war mir klar. Mit etwas einfacheren Mitteln haben ShowSlot aber aus „Ghost“ wirklich viel herausgeholt, nicht zuletzt dank der tollen Besetzung. Wer das Original nicht kennt, sollte hier voll auf seine Kosten gekommen sein, denn „Ghost“ hat neben großen Emotionen auch einige verblüffende Tricks. Schön.

09) West Side Story, Essen:

„West Side Story“ ist so angestaubt, dass die Wahrscheinlichkeit gruselig hoch ist, pure Langeweile aufzutischen. Doch BB Promotion holten mit der englischsprachigen Inszenierung richtig gute Leute nach Essen, zauberten ein schlichtes, aber dennoch gutes Bühnenbild und zeigten einige bombastische Choreos, die zu den besten des Jahres gehören. Wenn es schon dieser etwas öde Klassiker sein muss, dann bitte so.

08) The Producers, Hagen:

Gratulation an das Theater Hagen, das die in meinen Augen aufwändigste Produktion geliefert hat, die ich jemals in einem Stadttheater gesehen habe. Das nenne ich mal Bühnenbild. Wow. Zweifellos reißt einen „The Producers“ von der ersten bis zur letzten Minute mit und liefert Eye-Candys noch und nöcher. Einziges Manko ist der doch etwas veraltete Humor, bei dem man nicht nur ein Auge zudrücken muss. Ansonsten ist das aber eine Musicalproduktion, die sehr viele der Stage-Shows erblassen lässt.

07) Timon Krause, Essen:

Zauberei ist schwierig. Stimmt. Entweder gibt es viel zu lahme Tricks, die man in 2000-facher Ausführung schon kennt, oder es ist bloße Effekthascherei. Timon Krause macht alles anders. Stattdessen gibt es in seiner Show Mentalmagie. Darauf muss man sich einlassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man es nicht mag, ist gar nicht so gering. Allerdings gab es im zweiten Block eine so packende Dreiviertelstunde, in der nahezu niemand im Raum gewagt hat zu atmen. Was dort passiert ist, verrate ich an dieser Stelle nicht. Geht einfach zur nächsten Tour und probiert es aus.

06) Club Las Piranjas, Aachen:

Wie schlecht war bitte die „Club Las Piranjas“-Serie auf RTL+? Ein einziges Desaster, anders kann man’s nicht nennen. Das exakte Gegenteil hat hingegen das Grenzlandtheater Aachen hingekriegt, nämlich aus dem Kultfilm ein Musical zu kreieren, das alles hat, was den Film eben zum Kult macht und zwei, drei eigene Ideen on top, die perfekt ins Bild passen. Super witzig, interaktiv, nostalgisch und liebenswert. Wenn ein Minitheater mit so wenig Budget das besser macht als RTL und Hape himself, ist das übrigens heftig erschreckend und peinlich.

05) Harry Potter in Concert, Düsseldorf:

Joanne K. Rowling ist eine wirklich schlimme Frau, möchte ich an dieser Stelle nochmal betonen. Ob und in welchem Umfang man Harry Potter noch konsumiert, ist eine schwierige Frage. Davon ab ist aber die Reihe „Harry Potter in Concert“ wirklich ganz, ganz wundervoll. Der erste Teil ist wohl eh einer dieser Filme, die bei sehr vielen ganz starke Gefühle auslösen. Gehört ihr dazu, kann ich euch nur ans Herz legen, das Erlebnis zu verstärken, indem ihr mit Tausenden von Fans den Film auf großer Leinwand erneut schaut und dazu ein opulentes Orchester wie das Babelsberger hört. Balsam für die Seele.

04) Holiday On Ice, Dortmund:

Bisher habe ich „Holiday On Ice“ immer gemieden, weil ich dachte, es wäre kitschiger Trash. Und ja, „Holiday On Ice“ ist auf jeden Fall kitschig. Allerdings laufen hier so irrsinnig gute Künstler*innen übers Eis, die Figuren springen, bei denen man beim Zuschauen Angst bekommt. Zusätzlich werden traumhafte Kulissen kreiert, die einfach für pure Cozyness stehen. Das hüllt ein. Auch Musicalfans dürfte das sehr imponieren. Ich plane, im Januar bei der neuen Show wieder dabei zu sein. Und womöglich darüber zu berichten, munkelt man…

03) Schwanensee, Dortmund:

Ballett als Gattung ist per se etwas tricky. Der Grat zwischen „Wow, ist das beeindruckend“ und „Wow, ist das langweilig“ ist ein schmaler. Das Theater Dortmund hat aber mit seiner dritten Inszenierung des Klassikers Nr. 1 „Schwanensee“ ein absolutes Brett am Start. Ein sensationelles Bühnenbild, das so gekonnt zwischen der ursprünglichen Version und modernen Ideen ineinandergreift. Dazu ein gut aufgelegtes Orchester und eine Besetzung, die nicht unter 1+ geht. Holt einen ab und bringt einen an einen anderen Ort.

02) Tick, Tick… Boom!, Gelsenkirchen:

Das „JonathanLarson-Musical-Battle-im-Ruhrgebiet“ hat Gelsenkirchen gewonnen, und zwar haushoch. „Tick, Tick… Boom!“ zeigt, dass man aus wenig sehr, sehr viel herausholen kann. Drei Darsteller*innen und vier Musiker*innen genügen, um ein fantastisches Musical zu präsentieren, wenn jede*r einzelne alles gibt. Einfach ein Stück, das man braucht, weil es so viel sagt. Dinge sagt, die man mit nach Hause nimmt und über die man noch nachdenkt. Dass es auch 2024 noch einige Vorstellungen gibt, ist nur zu logisch. Nehmt es unbedingt mit!

01) Mozart!, Tecklenburg:

In einem starken Musicaljahr wäre es wohl nicht auf die Pole Position gekommen, aber die Konkurrenz war eher überschaubar, sodass „Mozart!“ in Tecklenburg trotz eher mickrigem Bühnenbild der Gewinner der Kategorie für mich ist. Das liegt zum großen Teil an den so hervorragenden Kompositionen von Levay und Kunze, die eben neben „Elisabeth“ und „Rebecca“ auch hier Musicalkost der höchsten Liga liefern. Tecklenburg hat wie gewohnt eine riesige Cast, ein tolles Kostüm und einfach alles, was es für den perfekten Sommerkulturabend braucht. Sehr schade, dass 2024 im Jubiläumsjahr kein einziges wirklich interessantes Stück gezeigt wird.

Nicht-So-Lieblingsmusicals & -shows:

05) Weird Crimes, Düsseldorf:

Ganz wichtig: Ich liebe „Weird Crimes“. Ohne Diskussion einer der coolsten Podcasts überhaupt. Aber eben im Auto, nicht live. Leider, leider hat das Konzept für mich in einer so großen Halle exakt gar nicht funktioniert. Bei „Weird Crimes“ muss man sich fokussieren, man muss gut zuhören. In der Mitsu in Düsseldorf hat man durch zu viel Gequatsche von anderen Besucher*innen und permanentes Aufstehen, weil man neue Drinks und Popcorn holt, einfach enorm viel nicht mitbekommen. Zusätzlich war der Fall auch einer der schwächeren.

04) Das Kapital: Das Musical, Dortmund:

Das Schauspiel Dortmund ist großartig. Unzählige Stücke habe ich hier bereits gesehen, bei denen ich völlig begeistert nach Hause fuhr. „Das Kapital: Das Musical“ gehört jedoch so gar nicht dazu. Sowieso finde ich es schwierig, wenn Menschen, die hauptberuflich Schauspieler*innen sind, singen. Hat nämlich auch hier mal wieder wenig geklappt. Das ist musikalisch einfach mies. Kommt dann ein Stück dazu, das denselben Einfall, nämlich auf Metaebene zu kommentieren, zwei Stunden am Stück immer und immer und immer und immer wieder vorkaut, ist das einfach Käse. Für ein Stück im Schauspiel Dortmund komischerweise wenig klug und arg platt.

03) Rock of Ages, Düsseldorf:

Ich feiere ShowSlot sehr dafür, dass sie Shows auf die Bühnen bringen, die es eher selten hierzulande gibt. Und auch auf „Rock of Ages“ hat man viel zu lang warten müssen. Allerdings hätte man an sehr vielen Stellen Finetuning betreiben müssen. Ja, müssen. Eine lustige Vergewaltigungsszene ging noch nie, 2023 noch weniger. Frauenfeindliches Gesabbel ist auch ein Todesurteil meinerseits. Easy könnte man das Ganze entschärfen. Das probiert man zwar, indem es vom Erzähler Kommentare gibt, die die vierte Wand durchbrechen, rettet aber nur wenig. Klamaukig ist’s noch obendrein. Musik und Cast waren allerdings solide.

02) Abenteuerland, Düsseldorf:

Eine der wenigen sehr großen Premieren in diesem Jahr – und leider eine, die man nicht gebraucht hätte. Wie schön wäre es gewesen, wenn man aus den Songs von Pur eine fantasievolle Geschichte in einer Parallelwelt gemacht hätte. Es hätte doch so viele Möglichkeiten gegeben. Aber nein, stattdessen bedient „Abenteuerland“ Klischees am laufenden Band und ist ein so seichtes wie leider auch unmusikalisches Musical, das unglaublich langweilt. Als ob das ZDF ein Fernsehmusical konzipiert hätte. Zusätzlich ist die Premierenbesetzung auch fast durchweg unterdurchschnittlich. Für eine Show dieser Größenordnung eine einzige Bauchlandung.

01) Once, Gütersloh:

Wie sehr ich doch den Film „Once“ mag. Kaum ein Musikfilm ist so unaufgeregt, so nihilistisch, so lebensnah. Man hat das Gefühl, man könnte genau diese Geschichte selbst noch erleben. Von all den guten Zutaten hat die Tourproduktion der Hamburger Kammerspiele offensichtlich nichts verstanden. Der knappen Handlung wurden unnötig so viele Längen eingebaut, die nerven. Die Darsteller*innen, die zusätzlich auch die Instrumente spielen, sind entweder keine guten Sänger*innen, keine guten Instrumentalist*innen, keine guten Schauspieler*innen oder alles gleichzeitig. „Once“ wirkt wie eine Schulaufführung, bei der jede*r mit Lust mitmachen darf.

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Kategorie 5 – Lieblingsfilme:

Ganz traditionell gibt es zum Abschluss noch einen Rückblick aufs Filmjahr. Auch hier habe ich für mich einen Rekord aufgestellt: 65 Filme, die 2023 entweder im Kino liefen, exklusiv im Streaming erschienen oder frisch auf Blu-ray herauskamen, habe ich mir gegeben. Davon 44 sogar wirklich im Kino, sehr oft sogar alleine, was ich mittlerweile richtig gern mag. Leider war von der ganzen Zeit, die ich investiert habe, ein Großteil ganz schön unbefriedigend. Ein paar Katastrophen, entschieden zu viel Mittelmaß und sehr wenig gutes bis sehr gutes. Perfekt fand ich sogar keinen einzigen Film. Aber schon in wenigen Tagen geht die Oscar-Saison los – can’t wait.

10) Close:

Kein Film in diesem Jahr ist wahrscheinlich für mich persönlich schwerer einzuordnen als „Close“. Das liegt an meinen persönlichen Erfahrungen. Ich hatte tatsächlich einen wahrhaftigen Flashback beim Gucken. Ob das nun automatisch ein Gütesiegel für den Film ist, sei dahingestellt. Wenn ich mich dazu fähig fühle, schaue ich ihn jedenfalls nochmal. Sehr wichtiges Thema, sehr mutiger Umgang. Vielleicht eine gute Idee für den Unterricht in der Mittelstufe?

09) Tár:

Als Musikwissenschaftler ist „Tár“ Pflichtprogramm. Cate Blanchett ist ja generell immer super, hat hier aber erneut bewiesen, wie vielseitig ihr Spiel einfach ist. Ein eigenwilliger Mix aus Psychothriller, Drama und Musikfilm. Trotz beachtlicher Länge nie langweilig. Wahrhaftig kein Film für jede*n, aber für Arthouse- und Schauspiel-Fans plus Berufsmusiker*innen eine klare Empfehlung. Und ganz nebenbei fühlte sich eine queere Rolle selten so wenig konstruiert an.

08) Pinocchio:

Technisch einfach groß und somit völlig zurecht Oscar-Gewinner. Guillermo del Toro ist nicht immer ganz mein Gusto, hat mit „Pinocchio“ aber zumindest über weite Strecken einen guten Animationsfilm abgeliefert, der die sehr bekannte Geschichte besonders düster und erdrückend aufzieht. Sollte man sich wahrscheinlich nicht an schlechten Tagen geben, aber sehenswert ist das Ganze trotzdem, auch wenn 20 Minuten weniger wohl gut getan hätten.

07) Saw X:

Wer hätte jemals gedacht, dass der zehnte Teil einer Filmreihe der beste nach dem ersten sein könnte? Und dann noch im Horrorgenre! „Saw X“ hat endlich, endlich alles richtig gemacht und den beliebten Antagonisten Jigsaw aka John Kramer in den Mittelpunkt gestellt. Viel zu lang musste man darauf warten, dabei lag es doch so auf der Hand. Ein „Saw“, der sich zwar immer wieder wie „Saw“ anfühlt, aber doch ganz anders funktioniert. Hat richtig Spaß gemacht.

06) Elemental:

Mein Animationshighlight des Jahres. Disney ist immer dann am besten, wenn es nicht total darauf fokussiert ist, jedem zu gefallen. „Elemental“ ist einer dieser Filme, die lieber kreativ als gefällig sind, deswegen mochte ich ihn auch so. Ein so unglaublich aktuelles wie wichtiges Thema wird hier familiengerecht aufgezogen, nämlich das Immigrieren in unser Land und wie schwer es doch ist, einfach akzeptiert zu werden. Dazu gibt es taffe Charaktere, die nicht jedem Klischee folgen und selbstredend starke Bilder.

05) Das Lehrerzimmer:

Wie beliebt bist du, wenn du zu 100 Prozent für Gerechtigkeit stehst? Wenn du probierst, absolut fair zu agieren, wenn du dich freimachst von Vorurteilen? Genau damit beschäftigt sich der beste deutsche Film des Jahres, nämlich „Das Lehrerzimmer“. Wann legen wir Sachen so aus, dass wir selbst im rechten Licht stehen? Wo ist unsere persönliche Grenze? Toll gespielt, mal was ganz anderes. Ein Blick in das geheimnisvolle Lehrerzimmer, an das wir uns wohl alle zurückerinnern. Ein Kampf um Anerkennung, Solidarität und Wichtigkeit.

04) The Son:

Kind zu sein, ist schwierig. Eltern zu sein, aber eben auch. In „The Son“ kommt Hugh Jackman als Vater an seine Grenzen und probiert herauszufinden, welcher Weg der richtige ist, um mit den Depressionen seines pubertierenden Jungen klarzukommen. Bei dem Versuch verletzen sich beide gegenseitig immer wieder aufs Neue. Schön herausgearbeitet ist auch der schmale Grat zwischen den individuellen Wahrnehmungen der vermeintlichen Opfer, dem Beobachten der Erziehungsberechtigten sowie den Empfehlungen von Außenstehenden. Wirkt nach.

03) The Whale:

Brendan Fraser hat es sich alles andere als leicht gemacht. Nachdem der einstige Hollywoodschwarm komplett aus dem Rampenlicht verschwand, weil er im größeren Ausmaß von Vorgesetzten sexuell genötigt wurde – ja, so etwas kann durchaus auch männlich gelesenen Menschen passieren – legt er mit „The Whale“ ein Comeback vor, das ein wenig sprachlos macht. Auch wenn Regisseur Aronofsky hier nicht ganz auffährt und zeigt, was er kann, macht aber vor allen Fraser den Film aus. Eine Herausforderung beim Zusehen ist der ständige emotionale Wechsel zwischen Mitleid, Rührung, Ekel und Betroffenheit.

02) The Banshees of Inisherin:

Du verbringst jeden Tag mit deinem besten Freund. Ihr macht immer wieder das Gleiche. Doch heute ist alles anders. Du klingelst bei ihm, er macht dir nicht auf. Er bricht jetzt zu dir den Kontakt ab, weil er in eurer Beziehung keinen Sinn mehr sieht. Das ist das Szenario in „The Banshees of Inisherin“. Einer der Beiden ist Colin Firth, der andere Brendan Gleeson. Daraus entwickelt sich ein äußerst intensiver, für mich auch recht schwer auszuhaltender Plot, der immer zwischen bitterem Ernst, herrlich schwarzem Humor, tiefer Traurigkeit und Enttäuschung, Rachegelüsten und dem Ausblick auf Neuanfängen pendelt. Fand ich echt großartig.

01) Beau is Afraid:

Kein 10 von 10 Film in diesem Jahr in der Liste, dafür aber eine sehr gute 9, vielleicht auch 9,5: „Beau is Afraid“ ist der dritte Film von dem bereits jetzt schon Kultregisseur Ari Aster, den einige von euch vielleicht als Macher von „Hereditary“ und „Midsommar“ kennen. Erstmalig wagt sich der Herr an einen Nicht-Horrorfilm – wobei!? „Beau is Afraid“ ist der perfekte Film für diejenigen, die sich nicht entscheiden können. Möchte ich eine Komödie gucken? Einen Thriller? Ein Drama? Eine Satire? Einen Horrorfilm? Animation? „Beau is Afraid“ ist all das davon. Menschen, die gerne die Kontrolle behalten – so wie ich – werden permanent gekitzelt. Die Handlung kann oft nicht mal die nächsten fünf Minuten vorhergesehen werden. Hervorragend, irrsinnig, traumatisch, intensiv und trotz eines großen Wirrwarrs sehr stimmig.

Nicht-So-Lieblingsfilme:

05) Blond:

Eine gute Schauspielerin allein trägt keinen Film. Erst recht keine 166 Minuten. Das FSK18-Biopic über Marilyn Monroe mag zunächst hochattraktiv wirken, ist aber eine absolute Geduldsprobe und schrecklich nervig. „Blond“ ist einer dieser Filme, denen man ansieht, dass sie es darauf anlegen, bei den Oscars nominiert zu werden. Hat ja für die Hauptdarstellerin auch geklappt, allerdings gleichzeitig für acht (!) Nominierungen bei der „Goldenen Himbeere“. Absolut nachvollziehbar. Fail.

04) Royal Blue:

Der Gay-Hype des Jahres und eine einzige Blamage. Selten war ein Film so platt, so strunzdumm, so voller Klischees, so fremdschämig, so öde. Dagegen ist der in ähnlichen Kreisen spielende „Plötzlich Prinzessin“ ein Meilenstein. „Royal Blue“ ist super schlecht gespielt, langweilig erzählt und hat nichts, wirklich nichts außer gut aussehenden Typen. Und mehr muss man dazu auch nicht sagen.

03) Halloween Park:

Horror ist bekanntlich mein Genre. Und ich habe dieses Jahr wirklich sehr, sehr viele Horrorfilme gesehen. Einer war gut, das war „Saw X“, der Großteil war gerade noch ok, gleich drei waren katastrophal. Der erste unter ihnen ist der schwedische „Halloween Park“, der genau eine coole Sache zu bieten hat, nämlich eine schicke Kulisse – einen Freizeitpark. Was ansonsten wohl zu Halloween in so einem Freizeitpark passieren kann, wenn eine Gruppe Jugendlicher exklusiv dort nachts reindarf, könnt ihr euch jetzt ausmalen. Genau das passiert. Ansonsten gar nix.

02) Winnie The Pooh: Blood and Honey:

Zugegeben: Man wusste bei „Winnie The Pooh: Blood and Honey“ von Anfang an, dass das ein Trashfilm wird. Aber Trash ist eben nicht gleich Trash. Es gibt unterhaltsamen und erbärmlichen. „Winnie The Pooh“ ist mehr als erbärmlich. Eine Handlung ist nahezu nicht vorhanden, die Darsteller*innen spielen alle offensichtlich das erste Mal irgendetwas, es wird von Minute zu Minute nur noch schlimmer. Eigentlich easy der Kandidat für den schlechtesten Film des Jahres, weil klare 1 von 10. Aber…

01) Skinamarink:

… nochmal unterboten hat das Ganze das „Kunstwerk“ „Skinamarink“. Ihr wart doch alle schon mehrfach in Kunstmuseen. Kennt ihr diese abgedunkelten Räume, in denen immer wirre Filme laufen, bei denen man fast nichts erkennt? Das ist „Skinamarink“. 100 fucking Minuten lang. Nach drei Minuten dachte ich „Das geht jetzt aber nicht die ganze Zeit so, oder?“. Doch. Genau so. Ausnahmslos. Ich probiere (!) euch den Plot zu erklären: Zwei Kinder wachen nachts in ihrem Elternhaus auf. Die Eltern sind aber spurlos verschwunden. Die Kinder probieren sie zu suchen. Das „Witzige“: Man sieht die Kinder nicht. Man hört sie nur. Stattdessen wird beispielsweise zwei Minuten lang statisch auf ein Kuscheltier gehalten. Man hört irgendwas unverständliches im Hintergrund. Dann wird geschnitten und man sieht zwei Minuten lang einen flackernden Fernseher. Dann ein Bett. Das ist alles. Dann ist der Film zu Ende. Nein, ich übertreibe nicht.

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PS: Ich koche gerade Gulaschsuppe – wer kommt rum?

Rechte von den Albumcovern liegen bei Universal, Fueled By Ramen, Beton Klunker Tonträger, Interscope & Submarine Cats. Konzertbilder von minutenmusik / Julia. Bild von BODIES von Cathleen Wolf. Die Rechte für die Cover am Beitragsbild liegen bei Geffen, Music For Nations, Beton Klunker Tonträger, Fueled By Ramen, Universal Music, Young, Sony Music, Tautorat Tonträger, Annenmaykantereit Records, Mercury Records, Grand Hotel Van Cleef & SM Entertainment.

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